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in der Ukraine

"Ein Land am Rande"

 

In Novgoroder Handschriften um 1200 steht für Gebiete der Rus' in der heutigen Ukraine mit Kiev und fast dem ganzen Lauf des Dnjepr die Bezeichnung "am Rande" (slavisch: u kraina). Als diese Gebiete der Rus' zum polnisch-litauischen Reich gehörten, blieben sie weit von den Machtzentren Warschau oder Vilnius gelegen. Auch als sie unter die Herrschaft des Moskauer Reiches kamen, blieb die Bezeichnung "am Rande" weiterhin passend. Aber noch vierhundert Jahre später aus den Dokumenten der Unionen wird deutlich dass sich die Bezeichnung "Ukrainer" noch nicht allgemein für die Einwohner der südlichen Rus' eingebürgert hatte.

Vor tausend Jahren war Kiev das Zentrum der russischen Lande - der Rus', wie man zur Unterscheidung vom zaristischen oder modernen Russland sagt. Ein gefestigtes Staatswesen, aber zur vollen Anerkenung als souveräner Staat fehlte die Zuwendung zu einer der monotheistischen Offenbarungsreligionen. Kiev konnte sich für das Christentum im Südwesten (Balkan) oder Westen (z.B. Handelsbeziehungen nach Regensburg) entscheiden oder für den Islam im Südosten oder bei den Wolgabulgaren im Osten. Einen dritten Weg waren die benachbarten Chasaren gegangen, die sich der mosaischen Religion zugewandt hatten.

Kievs Fürsten entschieden sich für das Christentum und für Europa. Es war noch ein gemeinsames Europa von Griechen und Lateinern, aber nicht mehr die eine Christenheit. Kiev trat in eine griechisch-lateinische Kirche des westlichen und des östlichen Römischen Reiches ein, die die Verbindung zu den sogenannten altorientalischen Kirchen Asiens und Afrikas bereits verloren hatte (z.B. Kopten, Syrer, Armenier, Chaldäer). Kiev trat also nicht mit einer "ungeteilten Kirche der sieben ökumenischen Konzilien" (wie es in manchen Handbüchern der Geschichte ungenau heißt) in Verbindung, sondern nur mit der europäischen Christenheit.

Nach den verheerenden Einfällen der Mongolen blieb der westliche Teil der Kiever Rus' im Bereich der litauischen und polnischen Fürsten, im nördlichen Teil der Kiever Rus' wurden die Fürsten von Moskau die "Sammler der von den Mongolen zersprengten Rus'-Lande". Zu ihnen siedelte der Metropolit von Kiev über. Der Kiever Metropolit Isidor nahm am Konzil von Florenz teil. Er wollte die Florentiner Union auch bei den Ostslawen einführen. Dabei scheiterte er, eine Synode aus dem Moskauer Herrschaftbereich wählte 1448 ohne Mitwirkung des Patriarchen von Konstantinopel einen neuen Metropoliten anstelle Isidors. Der Patriarch von Konstantinopel behielt die Verantwortung für den Teil der Rus', der zu Polen-Litauen gehörte. 1588 reiste Patriarch Jeremias von Konstantinopel zu den Ostslaven, gewährte 1589 dem Kiever Metropoliten in Moskau volle Unabhängigkeit als Patriarch, dem Kiever Metropoliten in Polen gewährte er Autonomie im Verband des Patriarchates von Konstantinopel. Bis zum Untergang Polens verschob sich die Patriarchatsgrenze jeweils mit den Staatsgrenzen.

Die Ukraine liegt heute am Rande des europäischen Interesses, Kiev liegt in Ost-West-Richtung betrachtet im Zentrum eines Landes, zu dem ganz im Westen Gebiete gehören, die bis vor dem Zweiten Weltkrieg polnisch oder habsburgisch waren. Im Süden und Osten der Ukraine sind weite Gebiete erst in der Sowjetzeit von der russischen Republik zur ukrainischen Republik gekommen. Die großen Verschiebungen der Bevölkerungen nach den Weltkriegen haben Menschen und Gemeinden mit früher lokal geprägten kirchlichen Traditionen im ganzen Bereich der heutigen Ukraine vermischt.

Die Buntheit der geschichtlichen Herkunft spiegelt sich in der Vielfalt der kirchlichen Strukturen in der Ukraine zu Beginn des dritten Jahrtausends. Während wir schon bei den protestantischen Kirchen die Vielfalt nicht mehr als selbstverständlich akzeptieren (man denke an die vom König von Preußen im Jahre 1811 verordnete Union der lutherischen Kirchen und der reformierten Gemeinden), erwarten wir von den Teilkirchen ("Teilkirchen" hier verwendet wie im Schreiben "Dominus Jesus" vom 6.8.2000, z.B. Nr. 17; vgl. Note über den Ausdruck Schwesterkirchen vom 30.6.2000) der "einen heiligen katholischen und apostolischen" Kirche ein großes Maß an Übereinstimmung und Frieden und empfinden die Vielfalt als Schisma, als ungehöriges Gegeneinander. Sieben Teilkirchen in der Ukraine

In der heutigen Ukraine kann man sieben Teilkirchen ausmachen. Eine Teilkirche steht in der "westlichen", "lateinischen" Tradition im Wechselspiel zwischen einer der polnischen Tradition verpflichteten Strömung und einer dynamischen Suche nach einer ukrainischen Identität.

Dazu sechs "östliche" Teilkirchen, von denen drei zu den "orthodoxen" im neuen "konfessionellen" Sinne dieses Wortes gezählt werden, dazu das Bistum der Armenischen Apostolischen Kirche, das Bistum der "Russischen Orthodoxen Altgläubigen" und eine in engerer Weise mit Rom verbundene "unierte" Teilkirche.

Die "unierten" Teilkirchen sind den "orthodoxen" gleich, insofern sie die östliche Tradition ungebrochen bewahren wollen, sie unterscheiden sich, insofern sie ausdrücklich die katholische Lehre vom Primat annehmen. Dieser einzige Unterschied wird freilich fragwürdig, seit Papst Johannes Paul II. in der Enzyklika UT UNUM SINT feststellt, dass noch nicht die Form der Primatsausübung gefunden ist, "die zwar keineswegs auf das Wesentliche ihrer Sendung verzichtet, sich aber einer neuen Situation öffnet" (Nr. 95), und DOMINUS JESUS in der oben genannten Nr. 17 feststellt, dass die orthodoxen Kirchen wegen apostolischer Sukzession und gültiger Eucharistie echte Teilkirchen sind, obwohl sie die katholische Lehre vom Primat nicht annehmen.

Von 1948 bis 1990 war die unierte Kirche in Galizien Teil der russischen orthodoxen Kirche.
Die russische orthodoxe Kirche hat am 16.12.1969 die Empfehlungen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) zur communicatio in sacris, zur Sakramentengemeinschaft übernommen. 1986 hat sie diese Empfehlung bekräftigt, aber "ausgesetzt" mit der Begründung, sie sei nicht von den Katholiken im Bereich des Patriarchates akzeptiert worden.
Die Unierten in Galizien in der Ukraine haben die Moskauer Beschlüsse vom 16.12.1969 nicht unterstützt. In Galizien glaubte man auch 1986 noch an eine Beteiligung des Moskauer Patriarchen der russischen orthodoxen Kirche bei der im Jahre 1948 erfolgten Unterdrückung der Union in Galizien durch Stalin. Erst 1993 entlarvte Ernst Christoph Suttner angebliche Verlautbarungen als Fälschungen des KGB [in: Stimmen der Zeit, 1993].

Der unierte ukrainische Bischof Lubomir Huzar (seit Februar 2001 Großerzbischof der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche und Kardinal) nutzte 1994 sein Referat auf dem Kongress "Kirche in Not" in Königstein, um sich "ausdrücklich im Namen aller ukrainischen Unierten bei der Russischen Orthodoxen Kirche zu bedanken, die in schwierigen Zeiten und unter vielfachen Verdächtigungen unsere unierten griechisch-katholischen Kirchenstrukturen innerhalb ihrer orthodoxen Strukturen in Zeiten schrecklicher Verfolgung aufbewahrte." In den Kongress-Akten sind diese Worte nicht verzeichnet, ebensowenig wie der auf der gleichen Tagung erfolgte Protest des katholischen Bischofs von Temeschwar Sebastian Kräuter, dass er in der Einladung zum Kongress als Bischof von "Temeschburg" bezeichnet wurde, dem von Hitler gebenen Namen, anstelle des seit Jahrhunderten von der deutschsprachigen Bevölkerung gebrauchten "Temeschwar" (von "Wehr").

Es ist wichtig, solche Auslassungen zu beachten. Sie sind Symptome unseres Umgangs mit den Fakten und Ereignissen im östlichen Europa. Auslassungen sind auch umgekehrt zu beobachten. So wird man schwerlich in östlichen Quellen etwas geschrieben finden über den gewaltigen menschlichen und geistlichen Beitrag der unierten Kirche Galiziens in der Zeit, in der sie offiziell als Teil der orthodoxen Kirche galt. Aus dem Munde russischer Bischöfe usw. kann man immer wieder hören, wie dankbar die russischen Christen für diesen Beitrag sind. "Ohne die Galizier und ihren Glauben hätten wir die Chruschtschovsche Kirchenverfolgung kaum überstanden".

Als erstes ist die "Ukrainische Orthodoxe Kirche" zu nennen, autonome Kirche unter Leitung von Metropolit Volodimir Sabodan im Moskauer Patriarchat.
Seit 1992 gibt es eine "Ukrainische Orthodoxe Kirche - Patriarchat Kiev", seit 1995 geleitet von Patriarch Filaret Denisenko.
Seit die Ukraine 1991 ein unabhängiger Staat wurde, gibt es auch dort wieder Bischöfe und Gemeinden der "Ukrainischen Autokephalen Kirche", die nach dem ersten Weltkrieg in der Ukraine gegründet wurde und im Exil weiterbestand. Sie wird heute geleitet von Metropolit Ihor Issicenko.
Der Übergang ist fließend, der Wechsel von Priestern, Gemeinden, Bischöfen von der einen zur anderen Jurisdiktion häufig.

Die meisten glauben nicht, dass eine Vereinigung der drei Kirchen unter der kirchenrechtlichen Führung Kievs wirklich Einheit bedeuten würde. Die zahlreichen Kirchengemeinden der ethnischen Russen und anderer russischsprachiger Gläubigen in der Ukraine würden sich dann auf eigene Faust wieder dem Moskauer Patriarchat unterstellen. Nach einer Vereinigung "von oben" gäbe es wieder ein Spaltung durch eine andere Vereinigung "von unten" (neue Formen von "Union" und "Unierten"!).

1. Ukrainische Orthodoxe Kirche (Patriarchat Moskau)

Diese Bischofskonferenz ist die Nachfolgerin des Ukrainischen Exarchates des Moskauer Patriarchates, das aus der Metropolie Kiev entstanden ist, auf dem Territorium der heutigen Ukraine. Metropolit und Exarch war von 1966 bis 1990 Filaret Denisenko (geboren 28.1.1929 in Blagodatnoje am Don, Namenstag 14.12., Mönchsgelübde 1.1.1950, Diakonweihe 15.1.1950, Priesterweihe 8.6.1951, Bischofsweihe 4.2.1962, Bischof Luga Assistant Leningrad, 1962-1964 Bischof von Wien, 1964-1966 Bischof von Dmitrov, und Rektor der Theologischen Akademie Moskva, 14.5.1966 Erzbischof von Kiev, 1968-1992 Metropolit Kiev. Dr.theol h.c. 1980 Prešov, 1984 Prag, 20.2.1997 Excommunication durch die Bischofsversammlung in Moskva), der stets gegen eine Selbständigkeit der ukrainischen Kirche eintrat.

Sein Nachfolger ist Metropolit Vladimir Sabodan (*23.11.1935 Markovtsi Leticev Chmelnitskij, Namenstag 28.7., 1954 stud.theol Seminar Odessa, 1958 stud Theologische Akademie Leningrad, 1962 Kandidat (Lizentiat), Diakonweihe 14.6.1962, Priesterweihe 15.6.1962, Mönchsgelübde 26.8.1962, 1962-1965 Dozent Theol. Seminar Odessa, 1965 Aspirant Leningrad, 1965-1966 Rektor Theol. Seminar Odessa, 1966 in der Russischen Geistlichen Vertretung in Jerusalem, Bischofsweihe 9.7.1966, "Bischof Zvenigorod", 1966-1968 Vikarbischof in Moskau und Vertreter beim Weltrat der Kirchen in Genf, 1968-1969 B Perejaslav-Chmelnitskij, Vikarbischof in Kiev, 1969-1973 Bischof von Cernigov, 1973-1982 Rektor der Theol. Akademie Moskva in Zagorsk mit dem Titel "Erzbischof von Dmitrov", 1975 Magister der Theologie, 1982-1992 Metropolit von Rostov, 1984-1989 auch Exarch für Westeuropa, 1987-1989 auch Generalsekretär des Patriarchates, 1989-1990 auch Administrator Paris, 1990-1992 auch Oekonom des Patriarchates, 27.5.1992 Metropolit von Kiev, 1999 Dr.h.c. St. Serge Paris)

Die Kirche zählt im Jahr 2001 zweiundvierzig Bischöfe. Schätzungen rechnen ihr mindestens zwei Drittel, eher drei Viertel der orthodoxen Gemeinden in der Ukraine zu (Myroslaw Marynowyc, Direktor des Instituts für Religion und Gesellschaft an der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Theologischen Akademie Lemberg, in: ContaCor 2/2000).

Vieles über die Atmosphäre in der Kirche wird deutlich aus einem Brief des Metropoliten von Kiev Vladimir an Papst Johannes Paul II. vom 22. Januar 2001:

"Gestatten Sie mir zunächst, Ihnen herzlich für die Glückwünsche zu danken, die Sie mir zu meinem 65. Geburtstag gesandt haben. Ihrem Schreiben habe ich zum ersten Mal, wenn auch auf indirekte Weise, eine Bestätigung aus Rom über den bevorstehenden Besuch Eurer Heiligkeit in der Ukraine entnommen.

Wir hatten Kenntnis von den Einladungen, unser Land zu besuchen, die Ihnen vom Präsidenten und von der Regierung der Ukraine, aber auch von den römisch-katholischen und den griechisch-katholischen Bischöfen gesandt wurden. Zweifellos kann man die katholische Gemeinde der Ukraine verstehen, die das Oberhaupt ihrer Kirche bei sich zu Hause zu sehen wünscht. Wir bringen ebenso das gebührende Verständnis für die Position der Leitung des ukrainischen Staates auf, der bestrebt ist, eine offenere Außenpolitik zu betreiben und auf diese Weise das Ansehen unseres Landes in der internationalen Arena zu erhöhen.

Zugleich muss unbedingt daran erinnert werden, dass die Mehrheit der Bevölkerung der Ukraine ihrer Konfession nach immer orthodox war und bleibt. Die gesamte historische Lebensordnung unseres Volkes, seine Kultur und seine Traditionen sind auf engste Weise mit der Orthodoxie verbunden. Die Ukraine ist ein organischer Teil des orthodoxen Ostens. Die überwiegende Mehrheit der orthodoxen Gläubigen der Ukraine bildet die Gemeinde der Ukrainischen Orthodoxen Kirche. Im Zusammenhang damit löst es Befremden aus, dass der Besuch Eurer Heiligkeit in unserem Land geplant und vorbereitet wurde ohne offizielle Benachrichtigung unserer Kirche und ohne irgendeine Einladung unsererseits.

Diese Situation wurde von den Kirchenführern der Ukrainischen Orthodoxen Kirche erörtert, die einstimmig die Entscheidung trafen, sich an Eure Heiligkeit zu wenden mit der Bitte, Ihren Besuch in der Ukraine aufzuschieben, damit er in einer für die gegenseitigen Beziehungen zwischen unseren Kirchen günstigeren Zeit stattfinden kann und damit die Ukrainische Orthodoxe Kirche sich offiziell an der Einladung Eurer Heiligkeit und an der Vorbereitung des Programms Ihres Besuchs beteiligen kann.

Der Hauptgrund dieser Entscheidung ist die Ungeklärtheit der Beziehungen zwischen den Griechisch-Katholischen und den Orthodoxen in der Westukraine. Natürlich wendet heute niemand offene Gewalt an. Vor diesem Hintergrund hat sich, nicht ohne Beteiligung des offiziellen Vatikans, die Illusion gebildet, dass dieses Problem gelöst sei und dass Ihr Besuch die endgültige friedliche Lösung des zwischenkonfessionellen Konflikts in der Westukraine fördern werde. Jedoch stellt solch eine Ansicht einen schweren Irrtum dar. Auch wenn es kein Aufflammen von Gewalt gibt, sind die Beziehungen zwischen den Orthodoxen und den Griechisch-Katholischen in dieser Region aufs äußerste gespannt. Bis heute haben die Orthodoxen an vielen Orten der Westukraine keine Möglichkeit, Kirchengebäude zu nutzen, die von den Griechisch-Katholischen okkupiert worden sind. Keine einzige der Vereinbarungen zu dieser Problematik wurde befolgt, die zwischen dem Moskauer Patriarchat und dem Vatikan getroffen wurden. Im Zusammenhang mit dem oben Dargelegten besteht die Befürchtung, dass Ihr Besuch die zur Zeit gegebene Lage der Dinge verfestigen wird, die für unsere Kirche ungünstig ist.

Eurer Heiligkeit ist bekannt, dass im Laufe des letzten Jahrzehnts von den Griechisch-Katholischen mehr als 1000 Gotteshäuser okkupiert worden sind, dass drei Eparchien der Ukrainischen Orthodoxen Kirche zerschlagen worden sind: die von L'vov, die von Ivano-Frankovsk und die von Ternopol'.

Ein vollwertiges kirchliches Leben ist in diesen Eparchien bis heute nicht wiederhergestellt. Der Anschein von Frieden zwischen Orthodoxen und Griechisch-Katholischen in der Westukraine, der mit Hilfe Ihres Besuches erweckt werden kann, wird den Versuch bedeuten, Friede ohne Gerechtigkeit zu schaffen, welcher niemals dauerhaft sein wird und überhaupt kein echter Friede im christlichen Verständnis dieses Wortes sein wird.

Nach dem Abschluss eines solchen "Friedens" werden die Leiden des orthodoxen Volkes in der Westukraine weitergehen. Und können wir denn einander die Hand reichen und dadurch die Illusion von Übereinstimmung und Wohlergehen schaffen, wenn das Volk leidet? Millionen einfacher orthodoxer Gläubiger werden diesen Besuch ablehnen, was mich und den gesamten Episkopat der Ukrainischen Orthodoxen Kirche in die Situation bringen wird, dass wir uns nicht mit Ihnen treffen können. Daher erklären wir offiziell, dass es im Falle eines Besuches Eurer Heiligkeit in der Ukraine in dem vorgeschlagenen Zeitraum zwischen uns keine Begegnung geben wird und dass kein einziger Kleriker unserer Kirche am Besuchsprogramm teilnehmen wird.

Ein anderes Problem, das ein Hindernis für Ihren Besuch in der Ukraine zum gegenwärtigen Zeitpunkt darstellt, ist die Unklarheit in der Einstellung der Römisch-Katholischen Kirche zu den Spaltungen, die unter den Orthodoxen unseres Landes bestehen. Sie haben zweifellos Kenntnis von den beiden Abspaltungsstrukturen, die es in der Ukraine gibt, der sogenannten "Ukrainischen orthodoxen Kirche des Kiever Patriarchats" und der "Ukrainischen autokephalen orthodoxen Kirche". Bei allen Verhandlungen zwischen dem Moskauer Patriarchat und der Römisch-Katholischen Kirche war die Rede von der Notwendigkeit, seitens des Vatikans ausschließlich die kanonischen orthodoxen Strukturen in der Ukraine anzuerkennen. Wenn jedoch im Laufe Ihres Besuchs eine Begegnung Eurer Heiligkeit mit irgendeinem der Führer der Spaltungsstrukturen stattfinden wird, besonders mit dem Pseudopatriarchen Filaret, der von unserer Kirche mit dem Anathema belegt ist, wird das bedeuten, dass die Römisch-Katholische Kirche die Prinzipien der kanonischen Beziehungen zwischen den Kirchen ignoriert und sich auf grobe Weise in unsere inneren Angelegenheit einmischt, indem sie die Spalter mit ihrer Autorität unterstützt. Dieses kann die unangenehmsten Folgen für die Beziehungen zwischen der Römisch-Katholischen Kirche und den Orthodoxen nach sich ziehen.

Der Verzicht auf die Einhaltung der ekklesiologischen Prinzipien der zwischenkirchlichen Beziehungen wird den praktischen Abbruch jedweder Beziehungen zwischen unseren Kirchen bedeuten und folglich das Ende der Epoche des Zweiten Vatikanischen Konzils in den orthodox-katholischen Beziehungen.

Wir beten zum Herrn, dass dies nicht geschehen möge und dass der Pontifikat Eurer Heiligkeit nicht die Prinzipien der orthodox-katholischen Beziehungen zerstören wird, die mit so viel Mühe dank der weisen Handlungen Ihrer Vorgänger und hervorragender orthodoxer Kirchenführer gewonnen wurden.

Wir hoffen, dass Sie das oben Dargelegte beachten werden und im Namen einer weiteren positiven Entwicklung der Beziehungen zwischen unseren beiden großen Kirchen Ihren vorgesehenen Besuch in der Ukraine aufschieben werden. Wir sind aufrichtig davon überzeugt, dass, wenn Sie das gebührende Verständnis für die Gefühle der orthodoxen Gläubigen zeigen werden, dies die gerechte Unterstützung breiter Schichten der Bevölkerung der Ukraine hervorrufen wird und der Erringung von Frieden und Eintracht zwischen den Christen beider Kirchen förderlich sein wird.

Das oben Dargelegte ist die offizielle Position von zweiundvierzig Bischöfen der Ukrainischen Orthodoxen Kirche.

Mit Liebe in Christo, Hoffnung auf Verständnis und aufrichtigen guten Wünschen

Vladimir, Metropolit von Kiev und der ganzen Ukraine".

Im Sommer 2000 hatte sich die Synode in einem ebenso besorgten Schreiben schon an Patriarch Bartholomaios gewandt. Aus Konstantinopel waren Vorschläge zur Behebung des Schismas in der Ukraine gekommen. Metropolit Vladimir und seine Bischöfe schrieben an den Patriarchen:

"Die gegenwärtige Lage in der Ukraine ist durch Intrigen, abenteuerliche Deklarationen und Provokationen derer geschaffen, die das Schisma verursacht haben. In dieser Lage würde ein Eingreifen Eurer Heiligkeit in den ukrainischen Konflikt zu nichts Gutem führen, es würde die bestehenden Spannungen verschärfen und neue nach sich ziehen. Die große Mehrheit der orthodoxen Ukrainer ist mit dem weitgefassten Autonomiestatus zufrieden, durch den ihre Kirche in kanonischer Einheit mit dem Patriarchat Moskau und der Weltorthodoxie steht. Jeder Versuch Eurer Heiligkeit, die kanonische Kirche in der Ukraine mit den schismatischen Gruppen zu vereinigen ohne einen vorausgegangenen Bußakt jener schismatischen Bischöfe, wird dazu führen, dass sich die Bistümer im Süden, Osten und im Zentrum der Ukraine wieder direkt dem Moskauer Patriarchat unterstellen. Das Schisma in der Ukraine kann nur aus inneren Kräften überwunden werden. Das alles ist eine ganz interne Angelegenheit der Orthodoxen in der Ukraine. Jede Intervention könnte eine Krise im Schoß der Orthodoxie auslösen, die so folgenreich sein könnte wie die Tragödie von 1054".

Auch dieser Brief ist unterschrieben von Metropolit Vladimir. Ein Besuch des Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios in der Ukraine ist geplant Ende Mai 2001, ein Besuch des Papstes Ende Juni. Im Herbst 2000 hatte Patriarch Bartholomaios in Estland eine Autonome Orthodoxe Kirche mit einem griechischen Bischof errichtet, ein Schisma mit dem Bistum der russischen orthodoxen Kirche in Estland besteht fort. 1998 hatten alle orthodoxen Patriarchen auf einer gemeinsamen Versammlung in Sofia das Schisma in der bulgarischen orthodoxen Kirche beigelegt mit Bußakt und Neuaufnahme der schismatischen Bischöfe. Sieben dieser Bischöfe in Bulgarien sind seitdem wieder in einer eigenen schismatischen Synode zusammengeschlossen, selbstbewusst: nunmehr sind ihre Weihen gesamtorthodox anerkannt.

2. Ukrainische Orthodoxe Kirche - Patriarchat Kiev

Die kleine Schar derer, die nicht mit dem Moskauer Patriarchat in kirchlicher Einheit leben wollen, ist in zwei Bischofskonferenzen gespalten. Die Geschichte ist eng verbunden, vielleicht aussschließlich zu erklären durch das Wirken von Metropolit Filaret, über dreißig Jahre auf dem Metropolitenstuhl von Kiev, dem wichtigsten Sitz nach dem Moskauer Patriarchenstuhl, fast selbstverständlich Nachfolger auf dem Patriarchenstuhl. Als Patriarch Pimen von Moskau am 3.5.1990 starb, hatte die Perestroika aber schon andere Einschätzungen und Freiheiten bei der Wahl des Nachfolgers ermöglicht. Filaret konnte nicht Patriarch werden.

Als sich 1991 nach dem Putschversuch gegen Gorbacov die ukrainische Republik als selbstständig erklärte, versuchte Filaret, in enger Freundschaft mit Staatspräsident Kravcuk verbunden, in einer ukrainischen Kirche Patriarch zu werden. Da Patriarch Mstyslav von der Ukrainischen Autokephalen Orthodoxen Kirche UAOK sich meist außerhalb der Ukraine aufhielt, konnte Filaret einen Teil der UAOK für sich gewinnen mit Blick auf das Wohlwollen des Staates und seine lange Erfahrung in der Führung der Kirche in der Ukraine.

Doch genau zu diesem Zeitpunkt begannen die Veröffentlichungen über wirkliche und angebliche Kompromisse kirchlicher Führungskräfte mit der Sowjetmacht. Artikel von Aleksandr Neznij in der Zeitschrift Ogonek (z.B. 23. und 30.11.1991, 15.1.1992) deckten so vieles über die Person von Metropolit Filaret auf, dass er nicht zum Patriarchen gewählt wurde, als Patriarch Mstyslav am 11.6.1993 starb. Gewählt wurde vielmehr am 24.10.1993 der als griechisch-katholischer Christ geborene Volodymyr Vasyl Romanjuk (*9.12.1925 in Chymcyn Karpato, 1944-1954 im Gefängnis, 24.8.1954 Heirat mit Maria Antoniuk, Sohn Taras, 1954-1959 stud.theol. Ivano-Frankivsk, 1959-1963 Fernkurs Seminar Moskau, Diakon 16.11.1959, Priesterweihe 26.4.1964 (russ.), Pfarrer in Kosmah Kosiv Ivano-Frankivsk, 1972-1981 Gefängnis Mordovia, Exil Jakutia, 1975 Hungerstreik, 1979 Helsinki Gruppe, 1981-1984 Seelsorgsverbot, 1984-1987 Pfarrer Kosiv Ivano-Frankivsk, 1987-1990 Canada, Mönchsgelübde 28.4.1990 (ukrain), 1990 Bischof (UAOK) von Uzgorod, 1991 (UAOK) Erzbischof Bila Cerkva, Vikar Kiev, 17.2.1992 Erzbischof Lviv Sokal (UAOK), 14.6.1993 Locum tenens Metropolit Cernigov Sumy, 21.10.1993 Patriarch Kiev UOC-PK).

Metropolit Filaret bestimmte als zweiter Mann weitgehend die Geschicke der Kirche. Als Patriarch Volodymyr und Patriarch Dymytrij eine gemeinsame Amtsniederlegung besprachen und eine gemeinsame Wahl von Metropolit Vladimir Sabodan als Patriarch aller drei ukrainischen Gruppen erwogen, starb Patriarch Volodymyr im Haus von Metropolit Filaret am 14.7.1995 unter ungeklärten Umständen, Wolodymyrs Sohn Taras Romanjuk erstattete Anzeige wegen Mordes gegen Metropolit Filaret.

Nach der Trauerfeier vor der Sophienkathedrale versuchten die Leute von Metropolit Filaret, mit dem Sarg die Sophienkathedrale (bis dahin Museum) zu stürmen, um den Patriarchen dort beizusetzen. Nach hartem Durchgreifen der Sicherheitskräfte wurde der Sarg vor der Sophienkathedrale im Bürgersteig beigesetzt. Metropolit Filaret verhinderte eine Autopsie. Im Gefolge der Skandale trat der Justizminister zurück, der für die Sicherheit zuständige General und der Chef der Sicherheitskräfte beim gewalttätigen Einsatz wurden amtsenthoben.

Da so vieles Negative mit der Person Filarets verbunden wurde, schien es auch diesmal undenkbar, dass er für das Amt des Patriarchen kandidieren könnte. Doch wurde er auf einer Versammlung am 20.10.1995 als Kandidat aufgestellt und zum Patriarchen gewählt. Vier Bischöfe der Autokephalen Kirche hatten vorher die Versammlung verlassen. Sie erklärten im Feodosijkloster neben dem Höhlenkloster "Vor Gott und der Ukraine, mein Gewissen ist rein. Ich habe keinen Druck von Kreisen des Präsidenten oder des Geheimdienstes erfahren. Wir sind nur aus einem Grund von der Versammlung weggegangen: Filaret ist in unserer geistlichen Welt ein Krimineller."

3. Ukrainische Autokephale Orthodoxe Kirche

Denken und Fühlen der Mitglieder dieser Kirche lässt sich auch heute noch gut zusammenfassen durch eine ältere Selbstdarstellung in: Alex Proc, Jahrbuch der Orthodoxie, München 1977.

Das Christentum kam im 10. Jahrhundert über Byzanz in die Ukraine, wo es unter dem Fürsten Wolodymyr dem Großen im Jahre 988 angenommen wurde. Die orthodoxe Kirche hatte als Metropolie von Kiev die Jurisdiktion über ganz Osteuropa und war sieben Jahrhunderte lang dem Patriarchen von Konstantinopel untergeordnet. Im Laufe der Zeit entwickelte sie in der Ukraine ihre charakteristischen Merkmale und Besonderheiten.

1458 wurde die Metropolie geteilt, und zwar in die Metropolie von Kiev und in die von Moskau; letztere wurde autokephal, während die von Kiev unter der Obhut des Patriarchen von Konstantinopel blieb und weiterhin die Jurisdiktion über die ukrainischen und weißruthenischen Diözesen innehatte.

Unter Metropolit Petro Mohyla von Kiev (1633-1647), der als Verfasser des ersten Katechismus des orthodoxen Glaubens weithin bekannt ist, nahm die orthodoxe Kirche der Ukraine weiter an Kraft zu und erlebte im 17. Jahrhundert ihre Blütezeit.

Als sich die Ukraine Mitte des 17. Jahrhunderts vom polnischen Joch befreit hatte, wurde 1654 ein Bündnis mit Moskau geschlossen. Von diesem Tatbestand ausgehend, versuchte das Patriarchat von Moskau in der Folgezeit immer wieder, sich die Metropolie von Kiev untertan zu machen, ein Vorgehen, das bei der ukrainischen Hierarchie, der Geistlichkeit und den Gläubigen starken Widerstand hervorrief. Erst 1686 sah sich der Patriarch von Konstantinopel unter dem Druck der türkischen Regierung und der Intrigen Moskaus gezwungen, die Metropolie von Kiev an das Patriarchat von Moskau abzutreten, was aber von darauffolgenden Patriarchen von Konstantinopel nicht anerkannt und für unkanonisch erklärt wurde.

Als Folge der Unterstellung der Metropolie von Kiev unter das Moskauer Patriarchat verlor die Ukrainische Orthodoxe Kirche ihre Autonomie, die sie früher unter der Obhut des Patriarchen von Konstantinopel gehabt hatte. Kurz darauf begann die konsequente Vernichtung aller nationalen Eigenschaften und Besonderheiten sowie die vollkommene Eingliederung in die Russische Orthodoxe Kirche. Dieser Vorgang zog sich bis zur Revolution im Jahre 1917 hin.

Für kurze Zeit erlangte die Ukraine ihre Souveränität und staatliche Unabhängigkeit wieder, und die Ukrainische Orthodoxe Kirche erwachte zu neuem Leben. Durch einen Erlass der ukrainischen Regierung vom 1.1.1919 wurde sie autokephal erklärt. Schon im Oktober 1921 fand in Kiev ein allukrainisches Kirchenkonzil statt, auf dem die kirchliche Selbständigkeit beschlossen und proklamiert wurde. Der weiteren Entwicklung der Kirche setzte jedoch schon bald das bolschewistische Regime ein jähes Ende; die Verfolgungen begannen von neuem. Alle Mitglieder des Episkopats und zahllose Geistliche wurden verhaftet, verbannt oder liquidiert. Das gleiche Schicksal ereilte Tausende von Gläubigen.

Ein Teil der westlichen ukrainischen Provinzen fiel im Jahre 1920 an Polen. 1925 erhielt die Orthodoxe Kirche in Polen vom Patriarchen von Konstantinopel die Autokephalie. Diese Kirche, ein Bestandteil der früheren Metropolie von Kiev, hatte vornehmlich Ukrainer und Weißruthenen als Gläubige.

Während des Zweiten Weltkrieges, als die Ukraine von deutschen Truppen besetzt war, gab der Warschauer Metropolit Dionisy (Waledynskiy), das Oberhaupt der Autokephalen Orthodoxen Kirche in Polen und der westukrainischen Gebiete, seinen Segen zur Weihe einer Reihe von Bischöfen für die wiedererstandene Ukrainische Orthodoxe Kirche. Diese übernahm dann 1942 die wichtigsten Bistümer in der Ukraine. Infolge der späteren Kriegsereignisse geriet das Land erneut unter Sowjetherrschaft, die abermalige Verfolgung brachte und ein Verbot der Ukrainischen Orthodoxen Kirche. Die Bischöfe, ein Teil der Priesterschaft und Tausende von Gläubigen waren gezwungen, die Heimat zu verlassen. Ihr Fluchtweg führte nach Westen mit der ersten Station in Deutschland, wohin während des Krieges auch eine große Zahl von orthodoxen Ukrainern zur Zwangsarbeit gebracht worden war.

In den ersten Jahren nach Kriegsende wurde von Deutschland aus die Ukrainische Autokephale Orthodoxe Kirche im Exil in der westlichen Hemisphäre organisiert. Zusammen mit dem größten Teil der orthodoxen Ukrainer, die in den folgenden Jahren aus Westeuropa nach den USA, Canada, Australien, Lateinamerika und anderen Ländern der freien Welt emigrierten, wanderten auch viele Bischöfe und Priester dorthin aus. In Amerika gliederten sie sich in die dort schon bestehende ukrainische orthodoxe Kirche ein, die mit der Autokephalen Ukrainischen Orthodoxen Kirche im Exil in inniger Gebetsverbindung lebt.

Soweit aus der Selbstdarstellung. In der Ukrainischen Autokephalen Kirche sind auch Menschen und Einflüsse der "Ukrainischen Griechisch-Orthodoxen Kirche in Kanada" wirksam. Sie wurde 1918 gegründet von ukrainischen Siedlern, die in ihrer Heimat griechisch-katholisch ("uniert") waren. In Kanada fanden sie katholische Priester und Gemeinden aus Frankreich und Polen. Ihre Bitten in die Heimat und nach Rom um Priester aus der griechisch-katholischen Kirche wurden abgelehnt, auch nach der Ernennung eines griechisch-katholischen Bischofs für Kanada wurden die Gläubigen weiter gedrängt, sich dem lateinischen Ritus anzuschließen. Die Priesterkandidaten durften nicht heiraten. Eine Kirchenversammlung in Saskatoon beschloss 1918, sich einem orthodoxen Bischof zu unterstellen, die Union mit Rom wurde aufgelöst. Gegen Ende des zweiten Jahrtausends schlossen sich einige Bischöfe dieser Gruppierung (vgl. ORTHODOXIA 2001, 131ff.) dem Patriarchat von Konstantinopel an.

Als die Ukraine immer selbständiger wurde, verlegte Erzbischof Mstyslaw Skrypnyk (*10.4.1898 in Poltawa, Mönchsgelübde 6.5.1942, Priesterweihe 10.4.1942, Bischofsweihe 14.5.1942, 1942-1946 Bischof von Perejaslav, 1946-1947 Bischof von Paris, 1947-1950 Erzbischof von Winnipeg, 1950-1971 Erzbischof von New York, 1971-1990 Erzbischof von Philadelphia, Patriarch 5.6.1990, † 11.6.1993) seinen Sitz aus den USA in die Ukraine und wurde 1990 erster Patriarch der Ukrainischen Autokephalen Kirche.

Nach seinem Tod wurde am 7. September 1993 Dymytrij Wolodymyr Jarema Patriarch der Ukrainischen Autokephalen Kirche, (*9.12.1915 in einer griechisch-katholischen Familie in Hlidno, später Student am griechisch-katholischen Priesterseminar in Lemberg Hlidno, Priesterweihe am 10.8.1947 durch den russischen Bischof Makarij Oksijuk, 1969-1989 Pfarrer der russischen Pfarrei St. Peter+Paul in Lemberg, Dekan, 1989 mit der Pfarrei zur Ukrainischen Autokephalen Kirche, Bischofsweihe 1.8.1993 zum Bischof von Perejaslaw+Siceslaw).

Nach Jaremas Tod am 25. Februar 2000 verzichteten die Bischöfe der Ukrainischen Autokephalen Kirche auf die Neuwahl eines Patriarchen in der Hoffnung auf eine Einigung der Kirchen in der Ukraine. Sie wählten Bischof Mefodi Kudrjakov von Ternopil zum Patriarchatsverweser und den ukrainischen Erzbischof Konstantin Buggan vom Ökumenischen Patriarchat zum "Geistlichen Hirten der UAOK".

Aus der Zeit des Exils datiert eine ökumenische Zusammenarbeit dieser Kirche mit den griechisch-katholischen Ukrainern im Exil. In der Westukraine übergaben die Behörden kurz vor Ende der Sowjetzeit dieser Kirche viele der geschlossenen griechisch-katholischen Kirchengebäude, als schon deutlich wurde, dass die russische orthodoxe Kirche sich in jenem Gebiet nicht würde halten können. So entstanden neue Spannungen zwischen den "Autokephalen" und den "Unierten" trotz ihrer gemeinsamen Ablehnung des Russischen. Aber nicht alle "autokephalen" Gemeinden entstanden aus diesem Kalkül der Behörden. Die Autokephale Kirche galt bald als ebenso patriotisch ukrainisch wie die Unierte Kirche und zog mit der Formel "weder Rom noch Moskau" viele Menschen an, die die geistliche Befreiung der Ukraine von den beiden Rom, dem "Ersten Rom" und dem "Dritten Rom", für wichtig hielten.

Eine Kirche in einem Staat?

Die beschriebene Vielfalt der Teilkirchen empfinden Leser dieser Zeilen ebenso als Schisma, als ungehöriges Gegeneinander, wie viele Mitglieder dieser Teilkirchen. Gerade die Spaltungen der drei orthodoxen Kirchen Kirchen in der Ukraine liefern uns die Gelegenheit, uns vorzustellen, wie die Christenheit das Abendländische Schisma nach der Rückkehr der Päpste aus Avignon nach Rom empfunden haben muss, mit zwei oder später drei Päpsten und entsprechenden Doppelbesetzungen in vielen Bistümern, Abteien, Pfarreien.

Im Jahre 2001 besuchen die Patriarchen der traditionsgemäß mit einem Auftrag zur Förderung der Einheit der Christen betrauten "drei Rom" die Ukraine: im April 2001 Patriarch Aleksij von Moskau (dem Dritten Rom), im Mai Patriarch Bartholomaios von Konstantinopel (dem Zweiten Rom), im Juni Papst Johannes Paul. Gibt es Wege zur Einheit?

1. Metropolit Sabodan und seine Bischöfe vertreten in der Beantwortung dieser Frage eine Haltung, die durchaus neu, modern genannt werden kann im Vergleich zur orthodoxen Tradition, sie schreiben im oben zitierten Brief an den Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios:

Das Schisma in der Ukraine kann nur aus inneren Kräften überwunden werden. Das alles ist eine ganz interne Angelegenheit der Orthodoxen in der Ukraine. Jede Intervention könnte eine Krise im Schoß der Orthodoxie auslösen...

Orthodoxe Tradition ist, dass der Staat für die Kircheneinheit sorgt. Der ostkirchliche Kirchenrechtler Milasch postuliert 1905 in seiner bis heute gültigen Kirchenrechtsammlung: "Für das Kirchenrecht ist die Verfassung des Staates belanglos... zur gemeinsamen Kompetenz von Staat und Kirche gehören die Besetzung von Bistümern, Pfarren und anderen Dienstplätzen." [N. Milasch, Das Kirchenrecht, Mostar 1905, S.710] In Rumänien z.B. erklärten selbst die Kommunisten keine Trennung von Kirche und Staat, sondern übernahmen die Kirchenordnung der Liberalen Regierung von 1922: "Die Organisation und das Funktionieren der Kultgemeinschaften wird durch Gesetz geregelt" - und hatten dabei auch Vorbilder im Westen, etwa England, die skandinavischen Länder.

Und das Vorbild der Geschichte des Jahrtausends von Konstantin bis zum Fall von Byzanz 1453: Unter Kaiser Justinian 527-565 war die spätantik-frühbyzantinische Spielart des Staatskirchentums voll ausgebildet. Römisches Reich und Katholische Kirche erstreckten sich gleich weit, der Kaiser trug Verantwortung für das Reich und für die Kirche. Kaiser Konstantin hatte jenes Konzil einberufen, das wir als 1. Ökumenisches Konzil von Nicäa zählen. Alle Christen in Ost und West waren zunächst einverstanden, dass der Kaiser zuständig war für das ökumenische Konzil (die Bedeutung von "ökumenisch" und "katholisch" war in jenen Zeiten identisch, beides hieß nichts anderes als die wörtliche Übersetzung heute noch: "weltweit", "allgemein".) Nicht ein Bischof, sondern der Kaiser intervenierte, wenn die Kircheneinheit gefährdet war, denn in der Kircheneinheit sah der Kaiser eine Stütze der Reichseinheit. Erstmals bei Petrus Damiani im 11. Jahrhundert finden wir den Ausdruck Stellvertreter Christi nicht mehr nur für den Kaiser, sondern für den Papst von Rom. In der Ukraine wurden nach der Perestroika 1990 zum ersten Mal in der Kirchengeschichte dieses Erdenflecks Bischöfe ohne jeden Kontakt mit der Regierung ernannt. So nimmt es nicht wunder, dass auch heute in der Ukraine Staatsmänner versuchen, die Kirche zu einen, und sei es mit der Bitte an den Ökumenischen Patriarchen, zu kommen und für die Einheit zu sorgen.

Metropolit Sabodan und seine Bischöfe vertreten eine neuartige Haltung aber auch mit ihrer Zuversicht, in Einheit mit der russischen orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchates zu bleiben zu können, das aus der Kiever Metropolie entstanden ist. Hier ist die Tradition ebenfalls anders. Überall in Mittel- und Osteuropa wurden in neuen unabhängigen Staaten die orthodoxen Kirchen aus früheren größeren Einheiten gebrochen und zu einer autonomen oder autokephalen Kirche in den Grenzen des neuen Staatswesens gemacht, ohne festen geistlichen Bezugspunkt außerhalb, wie es etwa der Papst für die Katholiken ist.

Eine Kirche aus kirchlichen Kräften?

Im Juli 1997 versammelten sich Vertreter der Kirchen in Kiev und unterzeichneten ein Dokument:

Wir, Vertreter der christlichen Konfessionen der Ukraine, haben lange gerungen in der Frage der Verbesserung der Beziehungen zwischen Kirche und Staat.

Wir sehen die Schwierigkeiten der heutigen kirchlich-religiösen Situation in der Ukraine und stellen fest, dass die Gegensätze zwischen einzelnen Konfessionen so stark geworden sind, dass es manchmal öffentliche Konflikte und Gewaltanwendung gibt.

Wir protestieren gegen die auf allen Seiten zu bemerkende Neigung, zwischenkonfessionelle Probleme für politische und materielle Zwecke zu benutzen. Wir befürworten das Recht der Kirche auf Selbständigkeit und Freiheit in der Lösung ihrer internen Probleme.

Wir erkennen die Einflussmöglichkeiten der Kirche auf Geist und Herz der Menschen, und glauben, dass Übereinstimmung zwischen den Konfessionen Übereinstimmung in der Gesellschaft bedeutet und beiträgt zum gesellschaftlichen Frieden.

In unserem Streben, dem Jubiläum der 2000 Jahre unseres Herrn Jesus Christus in Einheit zu begegnen, in Friede, Wohlfahrt und mit Gottes Segen, bekräftigen wir unsere feste und einstimmige Entscheidung:

  • nie mehr zuzulassen, dass Gewalt angewandt wird in der Lösung und Regelung zwischenkonfessioneller Probleme, besonders solcher, bei denen es um Kirchenbesitz geht;
  • alle Streitfragen zu lösen nur auf dem Weg der Gespräche, in Verantwortung vor den Gesetzen des Staates und in christlicher Liebe, in gegenseitiger Hochachtung und Toleranz;
  • sich nicht an die staatlichen Behörden zu wenden mit der Absicht, ungesetzlichen Druck gegen eine andere religiöse Gemeinschaft oder Kirche auszuüben.

Wir zählen zu den absolut unzulässigen Dingen die gewaltsame Aneignung von Kirchengebäuden und geben jedem kund, dass sich niemand Christ nennen kann, der seine Hand gegen Priester oder Gläubige einer anderen Konfession erhebt, unter dem Mantel des Namens Gottes oder der Staatsräson.

Nicht zulassen werden wir, besonders nicht in den Massenmedien, irgendwelche Äußerungen im Geist der Feindschaft nationaler und konfessioneller Unverträglichkeit. Wir werden uns aller Ausflüchte und ehrabschneidenden Erklärungen enthalten.

Wir hoffen auch, dass die Organe des Staates ihre verfassungsmäßige Pflicht erfüllen werden und für alle religösen Organisationen die gleichen Rechte sicherstellen und die Erfüllung der gerichtlichen Entscheidungen.

Es folgen fünfzehn Unterschriften in dieser Reihenfolge :

Metropolit Vladimir (Sabodan), Ukrainische Orthodoxe Kirche (Patriarchat Moskau)
Metropolit Petro (Petruš), Ukrainische Autokephale Orthodoxe Kirche
Patriarch Filaret (Denisenko), Ukrainische Autokephale Orthodoxe Kirche - Patriarchat Kiev
Patriarch Dimitrij (Iarema), Ukrainische Autokephale Orthodoxe Kirche
Bischof Ljubomir (Huzar), Ukrainische Griechisch-Katholische Kirche
Bischof Markian (Trofimjak), Römisch-Katholische Kirche
Paul Chimenez, Sekretär der Ukrainischen Union der Konferenzen der Kirche der Adventisten des Siebten Tages
Walter Klinger, Bischöflicher Visitator der Deutschen Evangelisch-Lutherischen Kirche in der Ukraine
Unterschriften der anderen protestantischen Denominationen (so in der Zeitung REGION Juli 1997)
Nathan (Ovhannesian), Bischof der Armenischen Orthodoxen Kirche

Die Prozedur der Unterzeichnung wurde begleitet von Aleksandr Razumkov, dem Vertreter des Präsidenten des Rates für Nationale Sicherheit und Verteidigung der Ukraine. Das Dokument wurde anschließend Präsident Kucma überreicht. Er begrüßte es als "Ausdruck des gemeinsamen Willens, auf christliche Weise zu leben", und wünschte dasselbe den Politikern...


Dr. Klaus Wyrwoll
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