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Die Braut Gottes in vielfarbigem Gewand (vgl. Ps 45)

 

am Samstag, den 10. Juni 2000
in der Abtei Niederaltaich
zur Verleihung des Emmanuel-Heufelder-Preises


Dr. Albert Rauch: Das ist das Bezeichnende unserer Epoche, dass die verschiedenen Teile der Kirche jetzt ihre Geschichte gemeinsam schreiben. In noch nie dagewesener Zahl von Dialogen und Gemeinsamen Erklärungen wird Kirchengeschichte heute gemeinsam geschrieben. Zum Beispiel die Erklärung zur Rechtfertigung vom 31. Oktober 1999 zwischen einer Milliarde und einhundert Millionen Katholiken und siebzig Millionen Lutheranern wird von unseren orthodoxen Partnern als große Ermutigung gesehen.
Das ist das Bezeichnende unserer Epoche, dass die verschiedenen Teile der Kirche jetzt ihre Geschichte gemeinsam schreiben. Dies meine ich, ist heute bei der Verleihung des Abt-Emmanuel-Heufelder-Preises ebenfalls eine große Ermutigung!
noch mehr, weil wir so wie der hl. Johannes am Ende seines zweiten und seines dritten Briefes: "nicht mit Tinte und Feder," sondern "persönlich miteinander sprechend", Geschichte schreiben.
Unsere Begegnung mit der Kirche des Ostens ist von Anfang an eine Begegnung mit Personen. Ganz am Anfang 1960 stand die Person des ökumenischen Patriarchen Athenagoras von Konstantinopel. Als Klaus Wyrwoll und ich als Studenten der Theologie in Rom, zum Fest Mariä Entschlafung - Aufnahme Mariens in den Himmel am 15. August 1960 nach der hl. Liturgie im Patriarchat in Konstantinopel - İstanbul mit Patriarch Athenagoras zusammen waren, lud er uns ein, auf die Insel Chalki zu kommen, wo er Ferien in der dortigen Theologischen Fakultät machen wollte. Im Garten der Fakultät auf Chalki sagte er in einem der Gespräche: "Wir waren Jahrhunderte vereint, und wir müssen wieder vereint sein".
Wir hatten in der Schule noch den Mythos von einem angeblichen Schisma im Jahre 1054 gehört, dass wir tausend Jahre getrennt seien, aber Athenagoras sah die Trennung als einen Prozess der Entfremdung, der über Jahrhunderte ging und jetzt von einem Prozess der Annäherung abgelöst wird, der aber dürfe nicht lange währen.
Sieben Jahre später, Ostern 1967, war eine offizielle Delegation der Deutschen Bischofskonferenz mit Bischof Rudolf Graber und Abt Emanuel Heufelder in Konstantinopel. Bischof Graber sprach dabei von den kleinen Schritten, die Ost und West aufeinander zu machen müssen. Patriarch Athenagoras darauf: "Aber nicht zu kleine Schritte! Die Zeit drängt uns zur Einheit, biazetai (vgl. Lk 16,16). Die Kirche Christi begegnet heute so großen Problemen, dass die Christenheit nur gemeinsam eine rechte Antwort darauf finden kann. Wir müssen alle Gelegenheiten real sehen in der Kraft des Glaubens, aber auch in dem Bemühen, die Wahrheit zu finden. Alles wird getränkt durch die Liebe. Und diese Liebe ist heute in besonderer Weise gleichsam wie in einem neuen Pfingsten über die Christenheit ausgegossen."
Weiter sagte der Patriarch: "Man hat bisher die Theologiestudenten mit Waffen der Kontroverse versehen, jetzt sollte man ihnen als einzige Waffe die Liebe geben. Die Unterschiede zwischen Ost und West sind nicht bedeutend. Wenn die Katholiken ihr Filioque, Azyma und die Unfehlbarkeit des Papstes haben wollen, warum sollen sie das alles nicht haben? Kann man nicht verschiedene Suppen nach verschiedenen Rezepten kochen? Die Hauptsache ist, dass die Suppe denen schmeckt, die sie gekocht haben. Ihr habt Papsttum und auch Papalismus, wir haben Autokephalie und auch Autokephalismus. Unterschiede sind Ausdruck der Vielfalt, Vielfarbigkeit und Vielgestaltigkeit poikilia des Kleides der Kirche, der "Braut, die zum König geleitet wird, mit dem vielfarbigen Gewand bekleidet" (Ps. 45,15). Man sollte immer das betonen, was uns eint. Das ist das Bezeichnende unserer Epoche, dass die verschiedenen Teile der Kirche jetzt ihre Geschichte gemeinsam schreiben". Soweit Patriarch Athenagoras.
Dr. Nikolaus Wyrwoll: Im Sommer 1960 waren Albert Rauch und ich drei Monate in Griechenland. Wir trafen viele Theologen, die in Europa studiert hatten, aber aussschließlich auf evangelischen und altkatholischen Fakultäten. Warum nicht auf katholischen Fakultäten?
Den Grund fanden wir bald: damals musste man vor jedem katholischen theologischen Examen den sogenannten "Antimodernisten-Eid" ablegen, ein ausführliches Glaubensbekenntnis mit aktuellen Bezügen und einem Treuegelöbnis zur Einheit der Kirche mit dem Papst.
Ich habe den "Antimodernisten-Eid" viermal abgelegt, aber ein Christ anderer Konfession wollte so einen Eid sicher nicht ablegen.
Wir beschlossen in unserer studentischen Naivität, diesen Zustand zu ändern. Ich fuhr 1961 nach Paderborn und trug Kardinal Lorenz Jäger das Anliegen vor. Er verstand sofort, er versprach, sich darum zu kümmern, ich würde wieder hören.
Im Frühjahr 1962 erhielt ich im Collegium Germanicum in Rom einen Telefonanruf. Albert Rauch war schon Kaplan in Dingolfing. Ich solle in den Vatikan kommen zu Monsignore Johannes Willebrands, dem Sekretär des Sekretariates zur Förderung der Einheit der Christen (das am vergangenen Montag seinen vierzigsten Geburtstag gefeiert hat, gegründet am 5. Juni 1960).
Willebrands gab mir einen Brief zu lesen: Kardinal Ottaviani, Vorgänger von Kardinal Ratzinger in der Kongregation für die Glaubenslehre, teilt Willebrands mit, dass ab sofort alle Christen alle katholischen theologischen akademischen Grade erlangen können, ohne den "Antimodernisten-Eid" abzulegen.
Willebrands beauftragte mich, dieses Ergebnis dem Ökumenischen Patriarchat mitzuteilen. Damals galt auch in Westen der Bote mehr als der Brief. Ich fuhr nach Venedig, dort schiffte sich Metropolit Maximos Repanellis gerade nach İstanbul ein, der Verantwortliche für die theologische Ausbildung im Ökumenischen Patriarchat.
Kardinal Willebrands (*1909, Bischof 1964, Kardinal 1969) habe ich vor drei Wochen am 17. Mai in seinem Alterssitz in Denekamp in Holland besucht und bringe seine herzlichen und dankbaren Grüße nach Niederaltaich.
Dr. Albert Rauch: Die russische Welt erschloss uns besonders der Niederaltaicher Mönch russischer Abstammung, P. Chrysostomus, von uns liebevoll "Väterchen Chrysostomus" genannt. Er war viele Jahre ein entschiedener Gegner des Moskauer Patriarchates der russischen Kirche. Seine genauen Beobachtungen und sein Gebet führten ihn dann aber zur Einsicht, dass man gerade dieser russischen Kirche helfen muss und zu ihr stehen soll. Ich konnte 1968 dabei sein, wie er wieder neuen Zugang zur russischen Patriarchatskirche fand in der historischen Begegnung zwischen ihm und Metropolit Nikodim Rotov in München im Oktober 1968. P. Chrysostomus kannte die neuere Geschichte der russischen Kirche, besonders die Zeit der Verfolgung. Er vermittelte uns Verständnis für die Kompromisse, die die Geistlichkeit machen musste, damit die Kirche überlebt.
Eine besondere Liebe zur russischen Theologie und Frömmigkeit vermittelte uns Frau Professor Fairy von Lilienfeld, die wir bis heute liebevoll "Mütterchen Vera Georgievna" nennen. Sie erzählte uns mit persönlicher Begeisterung von den großen Denkern wie Vladimir Solovjóv, Pavel Florenskij, Sergij Bulgakov. Dass "Matuška Vera Georgievna" mit uns zusammen heute den Abt-Emmanuel-Heufelder-Preis erhält, ist besonderer Grund zur Freude.
Sie drängte, dass ein eigenes Haus für die Studenten gefunden werden muss und gefunden wurde, in der Ostengasse in Regensburg und später auch vom Diakonischen Werk in der Fährstraße in Erlangen.
Sie hielt manches Jahr seit 1976 den einwöchigen Einführungskurs für unsere Studenten des Ostkirchlichen Institutes. Kein Wunder, dass schon der zweite Preisträger 1994 des Abt-Emmanuel-Heufelder-Preises unser Student, ihr Student Professor Dr. Vladimir Feódorov von Sankt Peterburg ist, der vierte Preisträger 1998 unser Student Metropolit Dr. Daniel Ciobotea von Iasi zusammen mit dem, der seit den Anfängen die akademischen Aspekte der Auswahl unserer Studenten betreute, Prof. Ernst Christoph Suttner.
Dr. Nikolaus Wyrwoll: nicht mit Tinte und Feder, sondern persönlich miteinander sprechend Geschichte schreiben. Es ist uns wichtig, dass die Menschen im Mittelpunkt bleiben. Wir halten das Verzeichnis unserer Ehemaligen stets auf dem Laufenden so gut es geht.
Ebenso pflegen wir ein Jahrbuch mit den Adressen der orthodoxen Bischöfe, dessen letzte Ausgabe 1999/2000 wir heute gern jedem schenken, wir nennen es schlicht ORTHODOXIA.
Es ist aus einem eher unangenehmen Grund entstanden, den Sie dem Nachwort entnehmen können. Es ermöglicht und fördert heute den Kontakt mit den orthodoxen Bischöfen und zwischen den orthodoxen Kirchen. Albert Rauch hat da so einen flotten Spruch.
Dr. Albert Rauch: Früher grüßte der Bischof "Pax vobis." Heute sendet der Bischof "Fax vobis."
Dr. Nikolaus Wyrwoll: Das Adressenheft der orthodoxen Bischöfe ist schon für unser Ostkirchliches Institut selbst nützlich, und wir bekommen auch freundliche Ermutigungen von anderen, ich zitiere zwei.
1. PRO ORIENTE schreibt am 17. Mai 2000 aus Wien: "Gerade unsere täglichen Aufgaben, die organisatorische Arbeit … werden unendlich erleichtert durch die akribischen Vorarbeiten, die das Ostkirchliche Institut Regensburg leistet. Die ORTHODOXIA ist mit Sicherheit das meistbenützte Buch unseres Sekretariates, hilfreich in allen Angelegenheiten … von Südindien bis Nordamerika. Sie dient der Arbeit, dem Schließen (und Verdecken) von Bildungslücken, dem Gewinnen von Durch- und Überblicken."
2. Patriarch Aleksij schreibt Ostern 2000 aus Moskau: "Ich danke Ihnen für das spezielle Exemplar ORTHODOXIA, das Sie mir überreicht haben. Ganz wichtig ist mir euer lebendiger Beitrag zum Zusammenleben der Christen in Ost und West …"
Dr. Albert Rauch: Begegnung mit vielen jungen und älteren orthodoxen Menschen, die seit über dreiunddreißig Jahren als Stipendiaten zu uns kommen oder als Gäste einige Zeit sich bei uns aufhalten.
Seit Chiara Lubich, die Gründerin der Fokolarebewegung, im Jahre 1968 Regensburg besuchte, sind Fokolarinnen im Ostkirchlichen Institut, betreuen das Haus in Deutschkurs und Sekretariat und bewirken, dass unser Haus eine Kirche im Kleinen ist wie die Braut in vielfarbenem Gewand, zusammen mit den vielen freiwillligen Helferinnen innerhalb und außerhalb des Vereins zur Förderung des Ostkirchlichen Institutes. Sie alle nehmen die Verleihung des Abt-Emmanuel-Heufelder-Preises dankbar als Ermutigung und Auftrag.
"Unsere Bücher sind die Menschen". Es ist wichtig, sie zu besuchen. Und das wird anerkannt. Mit einer Gruppe von katholischen Pilgern und ehemaligen Studenten war ich in Moskau im Kreml zur hl. Liturgie in der Mariä Himmelfahrts Kirche. Beim feierlichen Auszug entdeckt uns Patriarch Aleksij in der zweiten Reihe, tritt aus der Prozession aus und umarmt mich, und seinem Beispiel folgen die Metropoliten und Bischöfe.
Am 7. Februar 2000 beim 85. Geburtstag von Patriarch Teoctist stehe ich am Prozessionsweg in der Hauskapelle des Patriarchen in Bucuresti, auf dem er mit der Altarreliquie in den Händen kommt. Patriarch Teoctist entdeckt mich und umarmt mich mit der Reliquie in der Hand.
Dr. Nikolaus Wyrwoll: Auch nach ihrer Rückkehr in die Heimatkirchen gibt es Kontakt: brieflichen Kontakt oder Besuche im OKI, bei unseren Reisen in die Länder des Ostens ergibt sich meist auch ein Treffen mit den ehemaligen Stipendiaten und so bleibt lebendiger Kontakt, selbst zu solchen, die vor Jahrzehnten bei uns waren. Viele kommen auch bei uns vorbei, wenn sie im Westen sind, oder sie sind zu einem Forschungsaufenthalt bei uns in den Sommermonaten oder sie kommen zu einem unserer zahlreichen Symposien. Auch heuer haben wir eines zum hundertsten Todestag von Vladimir Solovjóv.
Und dann ist oft auf dem Reiseplan besonders der Russen der Wunsch oder schon das feste Programm: ein Besuch bei Archimandrit Irenäos Totzke OSB und der byzantinischen Dekanie in dieser Braut Christi in vielfarbigem Gewand, dem geistlichen Brennpunkt der Einheit Abtei Niederaltaich.