Alternative zum Theismus

 

Einleitende Bemerkungen Redaktion, 8. September 2010

Im folgenden stellt die Redaktion zwei bekennende Beiträge vor und zur Diskussion. Der eine stammt aktuell aus der Feder von David Steindl-Rast OSB, der andere aus einer Periode vor 170 Jahren, adressiert an die versammelte Fakultät der Divinity School der Harvard University, von Ralph Waldo Emerson.

Angeknüpft wird damit an bereits vorgestellte Ansätze einer Selbst- und Weltbeschreibung, weg von der verordneten linearen historisierenden Erinnerung zu einer erneuerten christlichen Identitätsfindung, wie im vorhergehenden Beitrag erläutert.

Inwieweit damit auch die Anschauungen der beiden theistischen Schriftreligionen tangiert werden, wird sich am Ende herausstellen. Hier geht es zunächst darum, dass für den Benediktiner David Steindl-Rast sich das vorherrschende "christliche Gottesverständnis" als fragwürdig erweist.

Ralph Waldo Emerson war zweifellos Kantianer und idealistischer Philosoph, auch Romantizist, was aber verblüfft, sind sein existenzialtheologischer Ansatz und seine zutiefst franziskanische Note. Dass Emerson mit seiner kirchenkritischen Haltung damals auf Widerstand stoßen musste und seine Thesen nicht akzeptiert wurden, ist begreiflich, denn die Zeit war offenbar nicht reif für ein solches Denken. Sie sind aber für uns ein Wink, dass wir das Rad jetzt nicht neu erfinden, denn vieles ist schon einmal vorgedacht, aber in zähem Festhalten an alten Gewohnheiten von den Mächtigen unterdrückt worden.

Welche Affinität beide Autoren zum Denken Wilhelm Kleins aufweisen, mag der geneigte Leser herausfinden. Dass ihre Bekenntnisse hochaktuell sind, ist wohl unstrittig, denn als Gegenbewegung zum von innen her zusammenbrechenden Theismus wird die christliche Gottesidee von der "Inkarnation" her, "die sich weder auf Jesus allein noch auf die Menschheit beschränken lässt", in ganz neuem Licht gesehen und gewürdigt. Sie folgt der Prognose Wilhelm Kleins, dass dieser Umbruch gewaltiger sein werde als der zur Zeit des Neuen Testamentes, denn es wird ja auch die im Mittelpunkt des Christusgeschehens normalerweise stehende Opferrolle und das Sühnetod-Theorem gestrichen werden müssen. Als Relikt einer genuin jüdischen und auch heidnischen Tradition erforderte es die Fiktion einer zürnenden und zu beschwichtigenden "Gottheit", die bis in die Gegenwart hinein eine angstbesetzte religiöse Praxis zur Folge hat. Im freimachenden "Glauben" des Jesus von Nazareth finden wir sie nicht, denn "Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer!" "Schöpfung, Inkarnation, Erlösung - alles dasselbe."

Dass Wilhelm Klein in seiner Mariologie, von der wir ausgehen, das Christusgeheimnis (Dio in Maria) in ebenfalls neuem Licht sehen lässt, gehört allerdings zu den Supernovae der gegenwärtigen Epoche. Ihre Widerspruchsfreiheit bzw. Kompatibilität u.a. mit gesicherten Erkenntnissen der Quantenphysik aufzuzeigen, die ja ebenfalls in Metaphern und Gleichnissen spricht wie der Buddhismus, ist, nebenbei bemerkt, eine der nächsten Aufgaben. So könnte die christliche Wahrheit neu vermittelt wieder aufatmen lassen und dem Herauspredigen der Gläubigen aus den Kirchen, heute wie zur Zeit eines Emerson, vielleicht noch Einhalt gebieten und auch junge Menschen wieder interessieren.

Walter Romahn