OKI-Logo Predigt und Vortrag
an der 14. weihnachtlichen Convention
in Indien
27.12.2003 – 09.01.2004

 

Auch dieses Jahr war ich wieder zur aktiven Teilnahme an der nach Weihnachten stattfindenden Tagen geistlicher Einkehr der jakobitischen syrischen orthodoxen Kirche in Indien.

Samstag, 27.12.03

6.22 Abfahrt von Regensburg, 10.50 Abflug von Frankfurt mit Quatar Airs. Zwischenlandung in Doha. Insgesamt etwas über 10 Flugstunden. 4,5 Stunden Zeitunterschied. Zuhause 10° Kälte und Schnee, dort um 30° Wärme.

Sonntag, 28.12.03

Ankunft in Cochin gegen 8.15, Abholung durch zwei Schwestern, da ja am Sonntag vormittag alle zelebrierten. Zuerst im Kloster der Schwestern, wo ich ein wenig ausruhen konnte, und die ersten Begegnungen hatte mit den inzwischen schon seit Jahren bekannten Schwestern, Marycutty, und einigen Bischöfen.

Das Thema der Convention dieses Jahres: Eph 2,14 Christus unser Friede.

An den Abendvorträgen von 18.30 bis 21.00 Uhr waren wieder im Riesenzelt und in der Umgebung weit über 10.000 Gläubige versammelt, dabei auch viele Hindus. Ein Jungen- und Mädchenchor umrahmte die Vorträge. Der Chorleiter war 1985 dabei als Mitglied der Gruppe aus Indien zum WDR-Programm "Alte Liturgien zu Gast in Köln", das wir für die verschiedenen orthodoxen Chöre organisiert hatten. Er erinnerte dankbar an die schönen Tage in Regensburg und Köln und die Fahrten durch Deutschland.

Don Silvano Cola hatte als Delegierten den irischen Professor und Fokolarpriester Tom Norris geschickt. Er sprach diesen Abend.

Sein Thema war: Gott liebt uns unendlich. Tom brachte das Beispiel von Chiara Lubich, der vor 60 Jahren ein Priester sagte: "Gott liebt dich unendlich". Worauf sie sich am Vorabend des Immakulata-Festes 1943 ganz Gott weihte. Daraus entstanden reiche Früchte für ihr eigenes Leben und für die Lebenserneuerung von Millionen, die ihrem Ideal folgen, entsprechend dem Gebet des Herrn: "dass alle eins seien, Ich in ihnen und Du in Mir, damit die Welt glaube" (was ja der Advaita-Lehre des Hinduismus nicht fremd ist).

Montag, 29.12.03

Ich wohnte wieder in diesen Tagen im Haus von Chorepiskopos Dr. Adai Jakob, Direktor (Prinzipal) des Theologischen Seminars und seiner Frau Aleyamma. Beide waren über 10 Jahre bei uns in Regensburg gewesen, hatten 1979 im OKI geheiratet, ihre Kinder Elisabeth (23 Jahre, seit fast einem Jahr verheiratet) und James (21 Jahre) sind in Regensburg geboren. Sie erlebten den Anfang des OKI und halfen eifrig mit bei dessen Aufbau in den ersten Jahren.

Abends hatte ich meinen ersten Vortrag zu halten, mit Übersetzung durch Adai 45 Minuten. Die Leute hörten aufmerksam und schweigend zu.

In diesen Tagen feiern wir die Geburt von Jesus. Geboren als kleines Kind, wie wir alle. Geboren am Rand der Welt, bei einer kleinen Stadt Bethlehem, das Kind armer Eltern. Aufgewachsen in einem kleinen unbedeutenden Ort Nazaret. Von Anfang an vertraut mit menschlichem Leid: Flucht nach Ägypten. 30 Jahre ganz einfaches, verborgenes Leben "er war ihnen untertan". Nur drei Jahre öffentliches Leben mit Zeichen und Wundern, mit Jüngern und Menschen, die von weit kommen, um ihn zu hören. Aber sie haben falsche Erwartungen: sie hoffen auf ein irdisches Reich, auf die Vernichtung aller bisherigen Herrscher. Sie erwarten ein Reich des Friedens, des Wohlstands und der vollkommenen Glücks. Und sie werden bitter enttäuscht: Menschen, auch die hohe Geistlichkeit, widersprechen ihm, ja sie verfolgen ihn. Die Staatsmacht wirft ihm Verrat und Aufstand gegen den Kaiser vor. Das Volk verlangt seine Verurteilung; "Kreuzigt ihn!" Er stirbt den Verbrechertod, von Gott und den Menschen verlassen, wird still beerdigt. Auch das Wichtigste geschieht in der Stille: Hinabstieg in das Reich des Todes: seine tiefste Erniedrigung und zugleich Anfang der Erhöhung. Auferstehung und Himmelfahrt, Geistsendung. Große Geheimnisse Gottes, die im Stillen wirken.

Dann erzählte ich von meinen eigenen Erfahrungen als Kind aus der Zeit des Krieges: viele verloren damals ihre Heimat, andere ihr Leben in den Bombennächten. Viele starben den grausamen Tod des Krieges oder der Gefangenschaft. Die falschen Ideale des Nazismus, Faschismus und Kommunismus zerbrachen.

Aber die so geplagten Menschen erfuhren: Gott liebt uns, auch in diesem Dunkel des Krieges leuchtete ein Licht. Die "Großen" wurden wieder klein und manche von ihnen kamen zu Reue und Buße, als alles zerbrach, worauf sie falsche Hoffnungen gesetzt hatten.

Sie verstanden wieder: es gibt nur einen Menschen, auf den man vertrauen kann – Jesus Christus. Dieser Mensch ist Gott und Mensch zugleich, klein und Groß zugleich.

Hier hört man oft von den Moscheen des Islam: "Gott ist groß!".

Hier verkünden die großen Weisen des Hinduismus: Gott ist Alles, außer ihm ist nur das "Nichts", alles außer Brahman ist Maya – nichts als Täuschung und Windhauch.

Aber das ist das Besondere der christlichen Botschaft: dieser Gott ist groß und klein zugleich. Er ist das unendliche Sein, er ist die Unendliche Liebe, von der wir gestern gehört haben. So ist dieser Große Gott zugleich aus Liebe zu uns ganz klein und schwach, arm und sterblich. Aber er bleibt der unendliche Gott.

Durch ihn ist alles geschaffen, Himmel und Erde, Tag und Nacht, Licht und Dunkel. In ihm lebt alles, bewegt sich alles, existiert alles. Auf ihn hin ist unser Leben und das der ganze Schöpfung ausgerichtet, denn hätte es nicht in Ihm seinen Bestand, dann wäre es wirklich nur Maya – Windhauch. Er ist der Friede, der alles miteinander und mit Gott versöhnt und vereinigt. Er hat sich dem Bösen ausgeliefert und dadurch auch das Böse erlöst. Nichts ist da ausgenommen: Krieg und Zerstörung. Terror und Antiterror, Katastrophen wie Erdbeben, aber auch Katastrophen in unserem eigenen Leben. Das ganze "Nichts" ist aufgenommen in Seine Erniedrigung, seine "Ver-Nichtigung", die aus Liebe zu uns geschieht und die unsere Erhöhung bedeutet, wie wir im Lobpreis Mariens erfahren: "Er hat herabgeschaut auf die Nichtigkeit seiner Magd – Großes hat der Gewaltige an mir getan".

Zum Schluss erzählte ich die russische Geschichte vom "Abstieg Mariens in die Hölle". Wie sie das unendliche Leid sieht, nachdem diese Hartherzigen hören mussten: "Ihr habt mir nicht Speise und Trank gegeben usw.". und wie Maria dann den Herrn anfleht: "Ich habe dich gespeist und gestillt und getränkt, bekleidet usw. Lass doch um meinetwillen die Armen aus der verdienten Verdammung heraus!" So siegt die Barmherzigkeit über die Gerechtigkeit und löst die Qualen der Strafe für Hartherzigkeit.

Anschließend noch im Seminar bei Kuriakos Mar Theophilos (Saji Varkey *1.2.1966. Von 1994 – 2002 im OKI Regensburg mit einem Doktorat über die "Armen bei Lukas und die Armen (Dalit) in Indien heute". Bischofsweihe am 29.09.2003). Er hat nur einen größeren Raum im Erdgeschoss des Seminars, der ihm als Wohn- und Arbeitszimmer dient; ein Teil ist durch einen Vorhang abgetrennt als Schlafstätte. Er ist uns sehr dankbar durch den siebenjährigen Aufenthalt bei uns und die damit verbundenen Begegnungen und Erfahrungen geistiger und geistlicher Art (besonders mit der Fokolargemeinschaft).

Dienstag, 30.12.03

Vormittag hatte ich einen Vortrag zu etwa 120 Priestern zu halten. Ich sprach über die Marienverehrung, wieder im Zusammenhang mit meiner Erfahrung von Krieg und Frieden.

In den Kriegsjahren gingen wir Kinder mit der Mutter jeden Morgen in die Kirche zum Gottesdienst vor Weihnachten. Es war kalt in diesem Winter 1943/44. Wir durften kein elektrisches Licht anmachen, um nicht den angloamerikanischen Bombern eine Orientierungsmöglichkeit zu geben. So saßen und knieten wir in der fast dunklen kalten Kirche, nur Kerzenlichter hatten wir, um zu lesen, weil wir den lateinischen Gottesdienst (wie damals bei Euch die altsyrische Liturgiesprache) nicht verstanden.

Da hatte ich ein Buch von einem französischen Heiligen (Ludwig Maria Grignon von Montfort) erhalten mit dem Titel "Die wahre Verehrung Mariens". Er sagt, dass Maria die Form war, in der die Menschheit Christi geformt wurde. Dies ist nicht einmalig geblieben, denn Christus ist ja Haupt und Glieder zugleich - und wir sind die Glieder seines Leibes. So kann Maria auch uns formen, damit wir, wie Paulus sagt: "dem Bild seines Sohnes gleich-förmig werden" (Röm 8,27). Wenn man darum sich Maria weiht, dann kann man auf die beste, einfachste und Gott gefälligste Weise "durch, mit und in Maria" zum Glied am Leibe Christi geformt werden.

Als Kind hat man keine Problem, alles ernst zu nehmen, und so habe ich gerne in diesem Kriegswinter diese von ihm empfohlene Weihe an Christus durch Maria vollzogen – und sie hat mich bis heute geführt und Wunderbares erleben lassen. So wird man geführt, ohne selbst alles entscheiden zu müssen, weil ja längst ein Plan der Liebe von Gott für einen jeden von uns gemacht wurde, den man selbst und allein nur teilweise erkennen würde.

Spätere geistliche Führer, wie unser Pater Spiritual (Wilhelm Klein), der jetzige Papst Johanns Paul II. und Chiara Lubich haben mich darin bestätigt.

So entsteht immer wieder Gutes aus all dem, was Menschen durch Gutes und Böses bewirken, da alles letztlich den Unendlichen Gott als Untergrund hat – sonst wäre es Windhauch oder Maya, wie uns die hinduistische Gotteserfahrung besonders eindringlich lehrt, oder sonst lebten wir nur "dem Fleische nach", wovor uns die christliche Offenbarung warnt (Joh 1,13).

Abends wieder zur Convention, wo wir beide wiederum drei Stunden unverständliche Vorträge anhörten: verstanden als ein Ausdruck der Einheit mit diesen über zehntausend Christen (und auch vielen Hindus), die aufmerksam zuhörten. Die Leute fühlen sich geehrt durch unsere Teilnahme, die wir von so weit her kommen und die Universalkirche repräsentieren. Da erträgt man selber gerne das stundenlange Sitzen und Schwitzen.

Mittwoch, 31.12.03

Ein ruhiger Tag, lange Tischgespräche mit P. Adai und P. Tom Norris, Spaziergang, Ausruhen und Vorbereitung des Nachtgottesdienstes. Dieser begann um 23.00 Uhr und endete im Neuen Jahr gegen 02.00 Uhr. Ich musste die Botschaft zum Neuen Jahr am Ende der Liturgie verkünden. Ein Neues Jahr hat begonnen, ein Jahr des Herrn. 365 Tage – jeden Tag geht die Sonne auf und unter, jeden Tag beten, arbeiten und ruhen wir. Jeder Tag hat 24 Stunden: Stunden der Freude , aber auch des Leides, der Traurigkeit und der Hoffnung, vielleicht ist darunter auch für manche von uns die Stunde des Todes. In dieser Welt rollen die Tage, Stunden und Minuten dahin, nichts bleibt stehen, nichts bleibt. Aber Gott, der Ewige, für ihn sind "tausend Jahre wie ein Tag". Wenn wir ganz in ihm leben, dann wird unsere vergängliche Zeit schon in Gott befestigt, bei dem es keinen Wechsel der Zeit gibt. Bei ihm gibt es nur den einen, ewigen Augenblick, in dem alle Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ruht. Darum ist es gut, dass wir ganz den gegenwärtigen Augenblick leben. Was vorher war, ist schon vergangen, was kommt, das wissen wir noch nicht. Aber der gegenwärtige Augenblick, der gehört ganz uns, der ist ganz Gott ähnlich, bei dem es nur ein "Ewiges Jetzt" gibt. Jetzt können wir Gott loben und preisen, wie es die ganze Natur jeden Augenblick tut. Jetzt können wir unser Leben Gott weihen und können wir wie Maria jeden bewussten Augenblick wiederholen und sagen: "Mir geschehe nach Deinem Wort". Jetzt können wir dem Menschen, der uns jetzt begegnet, lieben, ihm gut sein, ihm zuhören und helfen. Jetzt können wir die Schmerzen ertragen, die uns bedrängen, ohne in die Zukunft zu schauen. Jetzt können wir neu anfangen, wenn wir gefehlt haben oder einen falschen Weg gegangen sind. Jetzt und heute und jeden Augenblick des Neuen Jahres ist die Zeit der Gnade. Jeder Augenblick ist ganz neu – so wird es nie langweilig werden. Jetzt können wir in das "Jetzt" Gottes eintreten und den Plan seiner Liebe erkennen, denn er für uns schon vor aller Zeit gemacht hat.

Bei uns im Westen ist der 1. Januar das Fest der Gottesmutter Maria. Sie sagt zu Gott: "Siehe ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach seinem Wort, nach seinem Göttlichen Plan, nach Seinem Plan, den er für mich hat". Trotz aller Katastrophen, durch die die Menschheit und jeder Mensch geht, bleibt das Tor der Barmherzigkeit offen.

So wünschen wir uns ein Jahr der Barmherzigkeit Gottes und von unserer Seite en Jahr der Barmherzigkeit zu allen Menschen und zu allen Geschöpfen.

Am Schluss sprach der Catholicos vor der versammelten riesigen Gemeinde noch ein Lob für uns beide aus, dass wir stundenlang dabei sind bei Vorträgen und Gottesdiensten, ohne etwas zu verstehen: Ausdruck von innerer Einheit und von "sich eins machen".

Donnerstag, 1. 1.04, Neujahrstag

Es war viel Zeit, zu lesen. (Demosthenes Savramis, Religionen, Econ Verlag 1972)¸ Sri Radakrishnan: Über Hindu-Kultur.

Während andere Kulturen der frühen Menscheitsgeschichte im Wandel von mehr als fünftausend Jahren untergegangen sind oder aufgesogen wurden, erholt sich der Hinduismus immer wieder, ja er fühlt sich als "die Religion hinter allen Religionen" durch seine Offenheit und Integrationskraft. Zentral ist die Kenntnis davon, dass der höchste Geist (Brahman – Atman) der innere Grund einer jeden Kreatur ist, als das ewige Grundprinzip (Dharma) von allem endlichen Sein, das in sich "Nichts" wäre.

H. v. Glasenapp: Über den Buddhismus.

Er ist aus dem Hinduismus als Sonderheit, als Sekte, als Orden, herausgewachsen. Sein Zentralbegriff ist: Leiden und Leidenschaften müssen überwunden werden durch Askese und Versenkung (Meditation), wodurch das Rad der Wiedergeburt zum Stillstand kommt im Eingehen ins Nirvana, welches beschrieben wird als Wehen, Verwehen, Verlöschen oder auch als Fülle der Seligkeit.

P. Adai sagte im Gespräch darüber: Buddhismus und hellenistische Gnosis haben viel miteinander gemeinsam. Ich meine auch, dass da viel gegenseitiger Einfluss war in der klassischen Zeit von 800 – 200 v. Christus, was sich schon am Namen Pyth-agoras = Buddh-agoras = der von Buddha Redende, zeigt. Tatsächlich gibt es ja bei Letzterem u.a. auch die Idee von Seelenwanderung.

Ignaz Goldziher: Über den Islam.

Mohammeds Lehre, später im Koran festgeschrieben, kann man entsprechend den zwei Phasen seines Lebens einteilen. Zuerst in die Suren, die in den ersten zehn Jahren in Mekka verfasst wurden, die das Wesen des Islam zeichnen: Hingabe an Gottes Willen, starke Betonung des Weltgerichts. Es ist ein Gebäude, aufgebaut aus entlehnten Steinen: jüdische Lehre, christliche Apokryphen, orientalische christliche Häretiker. Zweitens in die Suren, die in den zehn Jahren in Medina entstanden. Sie sind geprägt von dieser Zeit der Abwehr und des Angriffs mit Schwert und Wort. Weniger innerlich, mehr politisch, polemisch. Nach ihrer Meinung ist der Koran gleichsam "vom Himmel gefallen", darum einzig, einmalig und unveränderlich.

Ernst Troeltsch: Über das Judentum

Die prophetische Kraft des Ursprungs verkapselte sich nach den großen Katastrophen des Judentums in Talmudismus und Apokalyptik.

Da befreite sich die prophetische Kraft dieses Volkes in einer Neubelebung und Verinnerlichung durch Jesus, da riss sich als "Christentum" von der jüdischen Verengung los, um dann in enger Verbindung mit der hellenistischen Erlösungs- und Mysterienreligion eine neue und universale, national nicht mehr gebundene Entwicklung zu nehmen.

Ein anderer Strom der Kraft des ursprünglichen jüdischen Prophetismus ergoss sich in die arabischen Stämme und schuf den Islam als eine kriegerisch-missionarische Religion des einzig wahren Monotheismus. So ist der Prophetismus der Mutterschoß der drei großen Religionen geworden.

Abends noch Einladung in die Familie unseres ehemaligen Stipendiaten Saji, jetzt Kuriakos Mar Theophilos. Wie in früheren Jahren war dies wieder eine wunderschöne Begegnung mit dieser echt christlichen Familie mit acht Kindern und schon vielen Enkelkindern und den beiden noch lebenden Eltern.

Freitag, 2.1.03

Vormittag zum naheliegenden Geburtsort des großen Lehrers der Advaita, Adi Shankara (siehe ausführlich über Leben und Lehre in den früheren Indienberichten ab S. 29).

Nach gemeinsamen Mittagessen mit den Mönchen und den Teilnehmern an einem Vedantakurs hatten wir noch ein Gespräch mit dem leitenden Mönch.

Er sieht Gott, das ens infinitum, als die einzige Substanz von allem (id quod substat accidentibus), wir sind in sich nur Akzidens, wie der Schaum, wie die Wellen des Ozeans, wie die Weißheit (albitudo) der Milch.

Religionsdialog kann in Liebe geschehen, doch soll dabei als Voraussetzung jeder fest in seiner eigenen traditionellen Erkenntnis der einen Wahrheit stehen und diese einander mitteilen. So lernen wir alle dabei.

Er anerkennt, dass die Schöpfung eine kenotische Erscheinung, eine Offenbarung, Äußerung und Entäußerung des einen Gottes ist. Wir sind in sich nichts, aber wir sind Äußerung (manifestatio) Seiner Allmacht, was für Ihn aber Ent-Äusserung (exinanitio, Machtlosigkeit) bedeutet.

Nachmittag nach Cochin-Ernakulam. Besuch des Palastes des Maharadsha, Stadtbummel und dann mit Mar Theophilos Abendessen in einem vornehmen Restaurant. Bei der Rückfahrt versicherte er mir, dass er sich im Seminar ganz zurücknehmen will, um eine tiefe Einheit mit Prinzipal Dr. Adai Jakob zu leben zum Wohl der jungen Menschen dort. Leider ist durch Mar Athanasios (Thomas Puttanil *28.6.1952, im OKI 1980-1983 und 1989, B. seit 3.5.1990. Er wechselte vor 3 Jahren zur autokephalen Kirche) in der Kandanadu-Diözese sehr viel Unruhe. So ist nun u.a. die Heimatkirche von Mar Theophilos (Tabor) geschlossen und die Heimatkirche von Dr. Adai für ihn derzeit nicht zugänglich.

Sonntag, 4.1.03

Teilnahme an der Eucharistiefeier mit Mar Theophilos in einer Georgskirche, wie immer in diesen Tagen voll integriert in Mitfeier (nicht Konzelebration, die dort auch nicht üblich ist) und Kommunion.

Ich hielt am Schluss eine Ansprache über den Patron St. Georg, den Sieger über das Böse (Drachen) und der Befreier der Kirche (Jungfrau). Er ist aber dann doch der anscheinend Besiegte, denn er erleidet das Martyrium. Aber er hat auch damit das Böse besiegt (s. Röm 12,21, da er nach dem Beispiel Jesu wie Stephanus betete: "Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an!". So sind alle bösen Menschen, besonders auch die schlimmsten Verbrecher der Menschheit, umgeben von einem Lichterkranz von Märtyrern, die für sie beten, leiden, opfern und Gott um die Vergebung für deren Verbrechen bitten. Das ist Trost und Hoffnung auch für diese Menschen, wie einst für Saulus-Paulus.

Nach der Festprozession mit Trommlern zurück zu Adai und ruhiger Nachmittag mit Lesen von "Il Logos e il Nulla" von Piero Coda. Davon einige Auszüge:

Il fiat di Maria è la libera eco antropologica del Fiat creativo-salvifico con cui Dio ha creato il mondo e vi ha inviato il Figlio. L’evento dell’incarnazione va perciò integralmente posto entro il quadro dell’ontologia della dedizione trinitaria e, insieme, entro quello, dalla prima suscitato e illuminato, dell’ontologia della dedizione umana (S. 200). ... Maria, che in sè dischiude il grembo dell’umanità alla venuta/nascita del Figlio di Dio (ebd.).

La linea del pensiero sofiologico, sopratutto russo con S. Bulgakov e P. Florenskij che hanno rimesso al centro la dimensione kenotico-relazionale e anche mariologica, dilatata cosmicamente, dell‘evento dell‘incarnazione, rileggendo tutto entro un orizzonte schiettamente trinitario (S. 206).

Dio in Sè è libero trascendimento di Sé verso l'Altro (Padre e Figlio in reciprocità) è l’atto stesso di questo reciproco trascedimento (S. Spirito). E in ciò sta la possibilità d’un trascendimento che Lo ponga anche "fuori" di Sé: o meglio attraverso cui liberamente Egli ponga "fuori" di Sé un altro da Sé, che alla sua volta liberamente accolga – nella dedizione di sé – il dono d’esser fatto un altro Dio, distinto da Dio (Pepuccio Zanghi S. 207).

Il culmine d’incarnazione (G. A.) è una sorta die "disincarnazione" (ebd.).

Pa pericoresi del Padre e del Figlio nello Spirito è il grembo della pericoresi tra Dio e la creazione (S. 224).

Se la generazione intratrinitaria è l’atto con cui il Padre dona Sé al Figlio, costituendo in Sé nell’atto stesso in cui il Figlio si ridona al Padre, la creazione è l’atto con cui Dio, nel Figlio, o meglio nell’annientamento d’amore di Lui, costuisce fuori di Sé l’universo (S. 225).

Il Crocifisso/Abbandonato è il segno levato in alto nella storia di tale ricapitolazione convergente della pluralità divergente proiettata nella creazione ("Wenn ich erhöht sein werde, werde ich alles an mich ziehen").

Teilhard de Chardin: Cristogenesi panumana e pancosmica (S. 226).

Significativo che J. Moltmann concluda la sua Ökologische Schöpfungslehre riferendosi ad alcuni simboli religiosi universali, tra i quali "la gran madre del mondo" e la "madre terra" (S. 231).

Montag, 5.1.04

7.00 Fahrt nach Cochin zum Bus, der Tom Norris nach Kottayam und Trivandrum bringt. Von dort fährt Tom weiter nach Pakistan (er hat ein Sabbatjahr).

Dann hatte ich einen ganzen Tag frei zum Aufenthalt in der Bibliothek der Chinmaya International Foundation am Geburtsort von Shankara (Adi Sankara Nilayam. IND 682319Veliganad – Ernakulam District. E-mail: Chinfo@vsn.net.in.

Aus Sri Sarada Devi, The holy Mother:

Wenn man erleuchtet wird, dann fühlt man, dass alle Götter und Göttinnen Maya sind. Alles wird und vergeht, dann begreift man, dass die Mutter allein das ganze Universum durchdringt. Dann wird alles eins (S. 16).

Der Meister Ramakrishna sah alle Kreatur als Manifestationen der Göttlichen Mutter. Er befahl mir, to manifest the motherhood of God (S. 149).

Sri Ramakrishna:

Er dient als junger Mann im damals neuen Tempel der Mutter Kali. Als er sie unbedingt sehen wollte und sie sich ihm nicht unmittelbar zeigte, wollte er sich töten – da sah er das große Licht.

Dann heiratete er ein fünfjähriges Mädchen (sie wird die Holy mother s.o.). Dann erlernte er alle Formen des Hinduismus, aber auch des Islam und des Christentums. Er erkannte sie als Ausdruck der einen Gottesverehrung.

Brahman: The Absolute Supreme Reality which is identical with Atman, our inner Self.

Maya: is the power of Brahman, the creative aspect of God. It is also the cosmic illusion which creates illusion and veils our vision of Brahman; because of maya we perceive the manfold universe instead of the one Reality. Gott erscheint uns in Formen: wie der Eisberg im Ozean kommt und geht und der schmilzt, wenn die Sonne kommt, oder wie die Tausende von Bildern auf dem einen Bildschirm, dem Hintergrund, der bleibt.

Gott kann auch besonders inkarnieren: in Buddha, in Krishna, in Christus.

Shakti: is god as mother of the universe. She is the power of Brahman, the personification of Primal Energy.

The world and all ist living beeings are part of the Lord’s "lila", His divine play (siehe Sapientia, ludens coram eo ludens in orbe terrarum). They see this world as the play of Shakti, the creative power of Brahman.

Maya ist diese Kraft, die Shakti von Brahman. Unter dem Einfluss dieser Kraft ist alles geschaffen, wird alles erhalten und auch zerstört. Shakti ist die Göttliche Mutter.

Shankara lehnte wegen seiner Advaita-Lehre zuerst die Shakti von Brahman ab, aber er wurde durch die Göttliche Mutter selbst belehrt: sie ist die Vermittelnde.

Shakti, Kali usw. sind wie die Wellen des Meeres (d.h. Brahmans). Sie ist gnädig, aber auch zerstörend. Alles ist Spiel der Shakti, sie macht den process of involution and evolution. Wenn sie zerstört, bewahrt sie den Samen und sät ihn neu aus. Sie schafft die Welt und sie ist die Welt.

Wenn ich einen Menschen sehe, dann kann ich sagen: der ist gut oder böse, wenn ich ihn nur als eine Person sehe. Wenn ich aber Gott in ihm sehe, wie kann ich ihn dann verachten oder gar hassen?! Das ist die eigentliche égalitè.

All that you see is the manifestation of God’s power. No one can do anything without this power.

Mein schwach entwickeltes ego verdunkelt in mir das Göttliche Ego, Gottes Gegenwart, wie die Wolke die Sonne. Dann geschieht alienation, Entfremdung von der eigenen Natur, die Gott ist.

Darum müssen wir das eigene ego aufheben "unser Leben verlieren", um es wiederzufinden als Sein Ego, dessen Instrument wir sind.

Erkenntnis: sie kommt durch Gebet, das die einzelnen Seelen vereint zum Ganzen. So sagt Krishna: der Herr wohnt in jeder Kreatur. Aber alles liegt unter dem Nebelschleier der Maya. Die Sonne ist immer da, die Wolke kommt und geht, wir aber sagen und denken das Gegenteil. Aber diese "Wolke Maya" kann auch gnädig sein und uns Gott zeigen.

Shakti hat zwei Aspekte: vidya und a-vidya. Wir sollen Gott bitten um die vidya-maya.

Ramakrishna‘s goal of life was God-realization.

Sünde: Wolken legen sich auch auf die Sonne, doch sie schwinden von selbst. Wir sollten nicht so sehr an die Sünde denken, sondern dass wir rein erschaffen wurden. Purity is our real nature, and to regain that is the object of all religions. Vivekananda: "Die einziger Sünde ist, zu sagen, dass man Sünder ist".

Er spricht von internal teacher – external teacher (s. Augustinus De magistro).

Wenn wir Gott lieben, dann ist die Welt nicht mehr illusorisch, dann sehen wir die Welt als eine Manifestation Gottes. Auch Maya reflektiert das Licht des Absoluten, wenn es auch zur Illusion führen kann.

Buddha fragt: wer ist ein Mönch? He whose inner essential nature is love.

Hinduismus ist

Spiritual democracy: es gibt viele Wege der Religion – doch hinter allem und in allen Gott in uns und um uns.

Spiritual humanism: alles ist lebendiger Dienst am Göttlichen

World unity: die Einheit des ganzen Weltkörpers erfordert eine World-Soul that embraces countless diversities of culture, creed, religion and human experience and aspiration. Sie ist die Seele des Ganzen und aller Seienden, das alles durchdringende Selbst des Mikromosmos und des Makrokosmos. Alles ist miteinander verwoben, wie es auch die moderne Naturwissenschaft feststellt.

Swami Vivekananda: als Schüler von Ramakrishnan verkündet er den Menschen als Gott selbst. "Lasst uns Gott sein und den anderen helfen, dass sie Gott sind, das ist Gottesdienst". "Die Vedanta (Ende, Erfüllung der Veda) lehrt die deification der Welt". "Öffne deine Augen und sehe Ihn in allen: in deiner Frau, deinen Kindern bis hin zu deinem Hund".

Bezeichnend das Beispiel von einem Löwen, der inmitten von Schafen selbst sich wie ein Schaf benahm, Gras fraß und blökte. Als dann ein wilder Löwe kam, floh er mit den Schafen. Aber der Löwe nahm ihn und führte ihn ans Wasser, dort sah er sein Spiegelbild. So zeigte der wilde Löwe ihm seine wahre Gestalt und Bestimmung. Er erkennt sich nun und hört auf, sich wie ein Schaf zu benehmen.

Abends mit Adai zum Grab des von uns hochgeschätzten Catholicos Baselios II. Nach der Vesper zu Bischof Dioskuros, der dort als Mönch wohnt.

Dann zur Kirche der "Drei Könige". Mit Trommelklang und Musik kam von weit her eine Prozession der Malankarischen (unierten) Pfarrei, und diese vereinigte sich dann mit der jakobitischen syrischen Pfarrei. Viel Böllerschießen, Feuerwerk und unendlich viel Volk, Christen und auch Hindus, aber kein "Festbetrieb" mit Ausschank und Essen, wie bei uns üblich.

Dienstag, 6.1.04, Fest der Taufe Christi – Hl. Johannes

Mit P. Adai in seine Pfarrei, die den heiligen Johannes den Täufer als Patron hat.

Bei dem stundenlangen Gottesdienst hatte ich Zeit, über das in diesen Tagen Gelesene nachzudenken:

Nach der scholastischen Lehre wird in der Eucharistie die Substanz des Brotes und des Weines verwandelt in die Substanz des Leibes und Blutes des Gottessohnes, d.h. in Ihn. Die Akzidentien bleiben. Aber es geht nicht so sehr um die von uns unabhängige Verwandlung von Brot und Wein. Mysterium nostrum in altare ponitur, wagt Augustinus. Da wir selbst nicht alle auf dem Altar Platz hätten, geschieht die Verwandlung zuerst wohl neben uns, da wir aber dann diese heiligen verwandelten Gestalten essen, geschieht diese Verwandlung in und an uns.

Das zeigt wieder, wie wir letztlich doch – wie die Hindus sagen – eine Äußerung (manifestatio) Gottes sind, was aber durch eine Entäußerung (exinanitio, kenosis Gottes möglich wird. Die Menschwerdung Gottes ist Gottwerdung des Menschen, die Entäußerung Seiner Herrlichkeit wird zur Äußerung, Offenbarwerdung Seiner Herrlichkeit in uns.

Die Eucharistielehre von der göttlichen Substanz und dem Verbleiben der geschöpflichen Akzidentien kommt anscheinend dem indischen Denken nahe. Doch bei uns ist die Vergöttlichung ein Prozess des Werdens (fieri), dort ein schon Vorgegebenes. Während der Hinduismus vom Sein ausgeht und zum Werden kommt (esse-fieri), geht das Christentum vom Werden zum Sein. Doch gibt es auch im Hinduismus ein gewisses Werden – wenn auch etwas ungeschickt ausgedrückt – im Reden vom Durchschreiten vieler Phasen der Wiedergeburt.

Wer aber die Eucharistie weiterhin (im Unglauben) als reines Brot isst, dann ist das anscheinend "nur" Brot und der anscheinend reine Wein für ihn maya, vergängliche Speise, die nicht zum dem Leben führt, das es eigentlich in sich trägt ("wer unwürdig isst und trinkt, der isst und trinkt sich das Gericht" (1 Kor 11,26).

Um 16.00 mit Mar Theophilos zur Johanneskirche, wo ich früher schon öfters war. Wieder war viel Volk zum Kirchenfest versammelt. Gebet, Predigt des Bischofs. Am Schluss musste ich wieder ein Ansprache halten.

Ich zitierte das Wort des Johannes: "Er muss wachsen, ich aber muss kleiner werden" (Joh 3,30). Geschichtlich gesehen, gilt das zuerst einmal von Johannes, der bald darauf eingesperrt und getötet wurde. Aber das ist von uns allen gesagt.

Ich habe in diesen Tagen von den Hindus gelernt, dass wir gleichsam zwei Ego in uns haben, das kleine unbedeutende eigene Ich, das wir oft so übergewichtig nehmen, und das große Ich Gottes, der immer schon in uns wohnt und der die innere Mitte unseres Seins und des Seins aller Dinge ist. Das eigene Ich muss abnehmen, weil es uns täuschen kann und weil es sich als das Einzige ausgeben möchte.

Dasselbe sagen wir, christlich ausgedrückt, mit Paulus: "Ich lebe, doch nicht ich, sondern Christus lebt in mir". So ist das ganze christliche Leben, entsprechend der Taufe, ein "Sterben und Auferstehen in Christus", damit "durch Christus und mit ihm und in ihm Gott dem allmächtigen Vater in der Einheit des Heiligen Geistes alle Ehre und Verherrlichung sei jetzt und in Ewigkeit".

Mittwoch, 7.1.03

Nach dem Frühstück zum drittenmal zur Chinmaya International Foundation mit Bibliothekstudium, Mittagessen und Nachmittagstee zusammen mit Mönchen und Vedanta-Schülern.

Elisabeth Harding, Kali, the black goddess .

She is the support of the world. She abides in all beeings in the form of consciousness, of intelligence, sleep, hunger, power, modesty, peace, faith, loveliness, compassion, contentment, in the form of mother, who appears in the form of all things.

Mythos: als die Götter gegen die Dämonen unterlagen und die sich zu Herren über das ganze Universum machen wollten, da formten die obersten Götter aus den von ihnen ausgehenden Strahlen eine Frau, Devi, die große Muttergottheit. Sie besiegte alle Dämonen.

Sie ist die Summe aller Energien der Welt. Ein Tropfen von ihr wurde Buddha, Krishna und Jesus. Sie hat drei Augen, das dritte oben in der Mitte der Stirn ist das Zeichen der Weisheit. Für viele sind Kali, Durga, Lakshmi, Sarasvati verschiedene Manifestationen derselben Göttlichen Mutter, aber auch jede Frau. Brahman ist das Absolute Sein, unbeweglich, unveränderlich, jenseits allen Erkennens. Wenn er tätig wird, offenbart er sich in Shiva und seiner Shakti (weiblicher Aspekt), beide sind untrennbar, sind wie Yin Yang. Maya ist real, verschwindet aber wie ein Nebelschleier verschwindet, wenn die volle Erkenntnis Brahmans kommt. Die ganze Welt und alles was wir sehen, ist ein Spiel und Tanz von Maya, die verhüllte Kraft der Göttlichen Mutter. Der Name Kali bedeutet die Zeit (kronos), die alles verzehrt. Makrokosmos und Mikrokosmos ruhen in ihrem Schoß.

Ähnlich geht die Jungfrau von Guadalupe auf eine indianische Göttin von Coatlicue zurück. Die Verkörperung der kosmisch-dynamischen power. In der antiken Welt der Ägäis ist es die universale Mutter Rhea. Ebenso das keltische Caillech (Skotia, Skata., Skytia). Bilder von Kali: Morgenröte, fruchtbare Erde, lebenspendendes Wasser, das Frucht bringt und reinigt.

Dann las ich noch Teile aus der Bhagavad Gita (Song of the Lord). Gespräche zwischen Arjuna und Krishna.

Auch wenn Arjuna nun unmittelbar vor dem Kampf steht, soll er bedenken, dass das Eigentliche weder durch sein Schwert noch durch das der Feinde getötet werden kann. Das Eigentliche wird weder geboren, noch stirbt es. Darum soll man indifferent werden gegenüber Freud und Leid, Gewinn und Verlust, Sieg oder Niederlage.

Krishna sagt von sich: Even though by nature without beginning and end, and the creator of all beeings, and master of my own beeing, I come into being by my own maya (IV,6).

Er sagt, es gibt viele , die ihm ähnlich geworden sind durch Reinigung und Selbstzucht.

Ultimate reality (Brahman) is in the act of giving. Ultimate reality (Itself) ist the consumer of gift. Utimate reality (Itself) is the giver (IV,24).

Wenn man ganz Sinn und Wille aufgegben hat, dann wird man durch die eigene Natur geführt.

Be convinced that whatever is manifest as being, goodnes and power, all such is really an expression of some bit of my boundless energy.

Abends kam Elisabeth mit ihrem Mann an. Sie erwarten anfangs März ihr erstes Kind. So beginnt wieder, was vor fast 25 Jahren im OKI begonnen hat mit Elisabeths Geburt.

Ich hatte noch Zeit, Briefe und Karten zu schreiben an die 11 indischen ehemaligen Stipendiaten, die ich diesmal nicht besuchen konnte und an 14 Etterzhausener.

Donnerstag, 8.1.04

Ich hatte Zeit, wieder in dem Buch von Fr. Zacharias O.C.D. An outline of Hinduismus zu lesen, in dem ich 1998 die ersten Kenntnisse über Hinduismus sammelte (s. S. 19).

Eine sehr detaillierte Darlegung von Geschichte und Lehre, von den Verzweigungen, Sekten und Richtungen. Aber im Hintergrund steht immer auch die Tendenz, das Christentum gegenüber dem Hinduismus herauszustellen, nicht das Gemeinsame zu suchen. Er ist sich noch nicht bewusst, was z. B. "Fides et Ratio" herausstellt, dass hinter der einen wie auch der anderen Offenbarung (schriftliche und mündliche), die eine Wahrheit steht, dass man überall dort auch Samen des Logos finden kann, die unabhängig von unserem Denken auf das wahre Sein, die Wahrheit, die ist (russisch Istina) hinweisen, und dass die andere Wahrheit (Veritas est adaequatio inter intellectum et rem) leicht zur Unwahrheit werden kann (russisch Pravda-Nepravda), wobei die Wahrheit, die ist, immer die Gleiche bleibt.

Pilatus fragt: Was ist Wahrheit (Pravda)? und er fragt nicht Wer ist die Wahrheit?, wobei doch die WAHRHEIT in Person, die Göttlicher Art ist und die immer die Gleiche bleibt (Istina), direkt vor ihm steht.

Um 16.00 Uhr mit dem Auto des Catholicos Mar Baselios Thomas I (früher Mar Divanasios, *22.7.1929, B. seit 24.2.1974, Catholicos seit 2002) nach Kothamangalam, einer christlich geprägten Stadt. Dort zuerst in die Wallfahrtskirche, wo der Catholicos (Maphrian) St. Baselios Yeldo aus Syrien begraben ist, der dort am 19.09.1685 starb, nachdem er einen Bischof geweiht hatte und der so der syrischen Kirche nach der teilweisen Trennung der "Thomaschristen" im Zusammenhang mit der latinisierenden Unionssynode von Diamper (20.-28.7.1599) wieder eine selbständige nicht-unierte Hierarchie gab.

Mitfeier der Vesper in der Pfarrkirche, wo früher der jetzige Catholicos wohnte. Dann Abendessen mit dem Catholicos in seiner neuen Residenz. Er war wie früher einfach und herzlich, wieder ganz der alte. Er trägt es gelassen, dass die andere Seite der Autokephalen gegen ihn und seine Kirchen etwa 350 Gerichtsverfahren angestrengt haben. Er zitierte Mar Aphrem von der ostsyrischen Kirche, der sagte "Vielleicht kommen die deswegen noch ins Guinessbuch der Rekorde!"

Er dankte noch einmal für den für sie so wichtigen Beitrag von uns beiden und so klang der Indienbesuch an diesem Abend in großer und bescheidener Herzlichkeit aus.

Freitag, 9.1.04

10.15 Uhr Abflug von Cochin, Zwischenaufenthalt in Dubai. Ankunft in München 19.55 Uhr.

Dr. Albert Rauch
Ostkirchliches Institut
Ostengasse 31
D-93047 Regensburg