OKI-Logo Ökumene - Vortrag
50 Jahre Kath. Kirche Dahlenburg


50 Jahre Katholische Kirchengemeinde Bleckede-Dahlenburg
50 Jahre Katholische Kirche St. Michael Dahlenburg
Festvortrag am 20. Oktober 2001

Jahrzehnte bevor ich zum ersten Mal in Dahlenburg warm hatte ich es schon lieb gewonnen. Durch einen bei uns kleinen Ministranten sehr beliebten Jugendseelsorger, der uns in der Jugendbildungsstätte auf dem Wohldenberg begeisterte. Er stellte sich immer vor. Ich bin der Pastor Schnackenburg aus Dahlenburg bei Lüneburg.

Das ist fast fünfzig Jahre her, als gerade das englische Kasino von Brietlingen als Kirche nach Dahlenburg reiste, Zelt Gottes auf Erden. Vor dreißig Jahren 1969, machte ich als Kaplan Aushilfe in Bevensen - noch nicht Bad Bevensen damals - für den verunglückten Pastor Blaas. Spätestens da habe ich Dahlenburg besucht, die Kirche St. Michael und die alte Kirche des hl. Johannes des Täufers. Und die Kirchen meines Namenspatrons St. Nicola in Artlenburg und die Nikolausskapelle in Vastorf, und andere dieser herrlichen uralten Patrozinien hier in den lutherischen Kirchen, St. Dionyis in Barum, Jacobi in Bleckede, wo jetzt Superintendent Dr. Berner ist, mit dem ich in Rom war, Lamberti, Willebrord. Schon diese Namen von Menschen, die vor uns von der alleinseligmachenden Gnade Gottes ergriffen sind, reißen uns in gewaltige Weiten der weltweiten zweitausendjährigen Christenheit - weltweit sagen wir gern auf griechisch: ÖKUMENE - und machen es uns leicht, heute über "Ökumene" zu reden beim Pfarrjubiläum von St. Michaelis - unsre lutherischen Schwestern und Brüder nannten bis 1999 die letzten Sonntage des Kirchenjahres, heute abend beginnt nach dieser Zählung der 4. Sonntag nach Michaelis (22. nach Trinitatis, heisst er in der neuen Luth. Agende, unsere lutherischen Schwestern und Brüder pflegen noch das Latein, das wir deutschen Katholiken schon vergessen.)

Ich finde die Wahl des Themas "Ökumene" zu einem katholischen Pfarrjubiläum überaus glücklich. Diese Gemeinde von 1951 nennt sich katholisch, sie ist also seit fünfzig Jahren ökumenisch. Immer dann, wenn Sie als Gottesdienst die hl. Messe feiern, machen Sie ein Bekenntnis zur Ökumene an zentraler Stelle, nahe bei den Einsetzungsworten, nahe bei der Wandlung:

Gedenke deiner Kirche auf der ganzen Erde!
Wir haben das eben schon übersetzt ins Griechische:
kaqolhn thn ghn.

So betet es morgen früh auf griechisch eine katholische Gemeinde in Athen oder Thessaloniki. So beten wir es auf deutsch mit allen Gemeinden auf dem ganzen Erdball. Gedenke deiner Kirche auf der ganzen Erde! mit unserem Papst Johannes Paul, mit unserem Bischof Josef.

Ökumene - das ist die Christenheit auf der ganzen Erde. Zwei Drittel dieser Christenheit - oder drei Viertel, je nachdem wie die Schätzungen der UNESCO ausfallen - gehören zur katholischen Kirche. Von zwei Dritteln aller Gemeinden also wissen wir, dass sie bei jeder hl. Messe für uns in Dahlenburg beten, und sich ganz mit uns einig wissen, mit unserem Papst Johannes Paul, mit ihrem Bischof. Das ist die engste und zugleich größte Ökumene weltweit. "Ökumene weltweit" - das ist doppelt gemoppelt, wie clamheimlich oder …. Weltweit heißt auf griechisch Katholisch und ökumenisch, diese beiden griechischen Wörter sind synonym, gleichbedeutend. Darauf bin ich wieder aufmerksam geworden durch den jung-verheirateten Alt-Bundespräsidenten Roman Herzog. Er heißt Roman, Römer und ist überzeugter lutherischer Christ, also ein unverdächtiger Zeuge, wenn er von Katholizität spricht.

"Globalisierung", hat er angemerkt, ist das lateinische Wort "Globus" statt des griechischen "Katholisch" oder "Ökumenisch". Bundespräsident Roman hat 1998 in Mainz den Katholikentag so eröffnet:

Alle sprechen von Globalisierung. Für eine Kirche, die seit je schon in Urbs und Orbis präsent ist, ist das eigentlich ein alter Hut. Universale Vernetzung ist ja geradezu das Wesensprinzip der katholischen Kirche. Deswegen aber hat die Kirche dem Globalisierungsdenken von heute ein wesentliches Element hinzuzufügen: Es geht nicht nur um globales Wirtschaften, sondern auch um globale Verantwortung. [Für das weltweite kirchliche Netzwerk sind fremde Länder nicht bloß Standortfaktoren oder Billiglohnländer. Es gibt viele persönliche Beziehungen, Gemeindepartnerschaften, regen Austausch mit Partnern in Asien, Afrika und Südamerika. Die in kirchlichen Kreisen vorhandene Kenntnis dortiger Zustände relativiert viele unserer eigenen Probleme und bewahrt vor einem selbstbezogenen Pluralismus. Die … katholische Kirche hat viele Reiche und Staaten kommen und gehen sehen.]

Also global katholisch allgemein ökumenisch weltweit universal heißt das Gleiche. Jetzt zitiere ich noch einen evangelischen Zeugen in diesem meinem Vortrag über "Ökumene", den evangelischen Theologen Prof. Konrad Raiser. Konrad Raiser, der Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen in Genf, schreibt: "Nur die römische Kirche hat in Struktur und Selbstverständnis den Charakter einer weltweiten ökumenischen Gemeinschaft erhalten. Im Protestantismus tauchte die Frage der Einheit erst als Folge der Missionsbewegung auf".

"Die Gemeinschaft aller an Christus Glaubenden und Getauften geht jeder geschichtlichen Verwirklichung und Strukturierung der communio auf lokaler Ebene voraus." Zitatende. [Konrad Raiser, Wir stehen noch am Anfang, Ökumene in einer veränderten Welt, Gütersloh 1994, S.20, S.24;] Konrad Raiser bekommt von Papst Johannes Paul II. einen Brief zum 50. Geburtstag des Ökumenischen Rates in Genf 1948-1998 und schreibt in seinem Dankbrief "Rom ist der große Bruder der Ökumene in Genf". "Nur die römische Kirche hat in Struktur und Selbstverständnis den Charakter einer weltweiten ökumenischen Gemeinschaft erhalten." Sieht der evangelische Professor uns Katholiken da nicht zu positiv? Ich glaube, es gab auch un-katholische Phasen in der Geschichte der katholischen Kirche, un-ökumenische Phasen in der Geschichte der ökumenischen Kirche, provinzielle Phasen in der Geschichte der weltweiten Kirche, könnten wir das auch ausdrücken, eben habe ich dreimal das Gleiche gesagt, mit ökumenisch katholisch weltweit.

Bei der Herfahrt mit dem Zug habe ich viele stolze Pferde hier in den Koppeln gesehen in schnellen und langsamen Bewegungen. Machen wir einen Galopp durch die Kirchengeschichte? Machen wir ein bisschen "Ökumene mit der Vergangenheit"? Das fasziniert mich: unsere Mütter und Väter im Glauben, die ersten Christen spürten, unsere frohe Botschaft, unser Evangelium hat universale, allgemeine Bedeutung. So steht es im Glaubensbekenntnis von Nizäa und Konstantinopel, im Glaubensbekenntnis heißt es in den christlichen Gottesdienstbüchern weltweit bis heute: ich glaube an die eine heilige allgemeine und apostolische Kirche. Die Kirche ist "katholisch" oder "allgemein".

Das Wort "katholisch" oder "allgemein" wird von Anfang an in doppeltem Sinn verstanden: der christliche Glaube ist katholisch global, weil er kat hólon tón kósmon für den ganzen Kosmos bestimmt ist, "Katholizität nach außen" sagen die Theologen. der christliche Glaube ist katholisch global, weil er in jede Verwirklichung des menschlichen Lebens hinein wirkt, alles was ihr tut, in Worten oder in Werken, das tut alles im Namen Jesu -"Katholizität nach innen" sagen die Theologen.

Wie global ist die junge Kirche?

  • Dass der Glaube das tägliche Leben durchwirkt, Globalisierung nach innen, haben alle christlichen Gemeinschaften sofort begriffen (ich erinnere an die ersten Kirchbauten in Rom, nicht etwa Tempel, sondern Gerichts- und Markthallen), aber manche christliche Gemeinden haben das dann als praktische Anweisung für ein angenehmes Zusammenleben im Familienclan gesehen - und andere christliche Gemeinden ausgeschlossen, weil sie andere Bräuche hatten.
  • Globalisierung nach aussen, dass der Glaube mir Kraft gibt, alle anderen Christen als gleichberechtig anzusehen, war nicht so leicht zu praktizieren für die ersten Christen. "Im Jahr 150 gab es 150 Sekten" trotz der ungeheuer globalisierungsträchtigen Symbolhandlung nicht etwa nur von Paulus, sondern auch von Petrus, in die Hauptstadt des Weltreiches Rom am Tiber zu gehen.

Aber neben diesen Sekten, die die anderen aussschließen, gab es auch schon im Jahre 150 die Katholiken, also diejenigen, die ihre eigenen Traditionen und Theologien zwar wichtig nahmen, aber noch wichtiger nahmen sie die Einheit mit allen, das "global" Christen sein, auf griechisch, "katholisch". "Katholisch", "ökumenisch", das gebrauchten die lokal gesinnnten Christen schon damals als abwertendes Schimpfwort, die Globalen selber als Anspruch und Auftrag, die eine heilige katholische und apostolische Kirche.

Global weltweit katholisch ökumenisch meinte damals bei den Christen noch nicht den ganzen Globus, sondern die größte vorstellbare Welteinheit, eben das römische Reich mit dem römischen Kaiser als oberstem Moderator der Kirche, als Stellvertreter Christi in der Hauptstadt Rom, die der Kaiser Konstantin im Jahre 314 verlegt hatte vom Tiber an den Bosporus, nach Byzanz, Konstantinopel, İstanbul, Rom am Bosporus.

Aber die Ökumene der Christen ging auch schon über das römische Reich hinaus, die Christen außerhalb des römischen Reiches, etwa in Ägypten, in Persien, bei den Germanen, die den Christen in der Ökumene des Römerreiches aus politischen Gründen wenige praktische Zeichen ihrer Zugehörigkeit zu der einen einzigen weltweiten Kirche geben konnten wie Bischofsbestätigungen oder Osterbriefe oder Ausführung von ökumenischen Konzilsbeschlüssen, auch diese Christen draußen behielten in ihrer Selbstbezeichnung das Wort - allgemein - katholisch - bei.

Auch in ihrem Wirken nach innen und außen: die Assyrer im Perserreich z.B. missionierten bis nach Peking (nicht etwa Priester, sondern Kaufleute), Marco Polo gibt uns davon eindrucksvolle Zeugnisse.

Global gegen lokal und provinziell, wenn provinziell Ausschluss der anderen bedeutet - katholisch gegen Sekte Häresie Schisma (alle drei Wörter hängen sprachlich mit der deutschen "Schere" zusammen).

Unsinn, von der "ungeteilten Christenheit des ersten Jahrtausends" zu sprechen. Ein solches Reden vergisst z.B. die armenischen Christen, die gerade jetzt 2001 1700 Jahre ihres christlichen Staates feiern, Papst Johannes Paul war vor einem Monat zum Fest in Armenien, der ökumenische Patriarch Bartholomaios macht den feierlichen Abschluss 2.-5. November in Erivan. Das erste Jahrtausend Einheit in der Vielheit, versöhnte Verschiedenheit, diversité reconciliée, reconciled diversity.

Und so ging es im zweiten Jahrtausend weiter. Und wurde in manchem provinzieller. Da kommt im Westen die Reformation, die die Gemeinde betont, nicht die Weltkirche, wir hörten es eben von Generalsekretär Konrad Raiser. Das Ende des römischen Kaisertums 1453 war kein Ökumeneschub für die Christen, in England, Deutschland, Schweiz wird sofort an die 1453 in Byzanz gestorbene Tradition angeknüpft, dass der Landesherr das Oberhaupt der Kirche ist, der Stellvertreter Christi. Viele Monarchen führen den Doppeladler im Wappen, das Symbol für Gottes Eingreifen in die Welt. Das Wort "katholisch" oder in muttersprachlicher Form "allgemein" streichen die neuen Lokalkirchen nicht, mit Ausnahme der deutschen Lutheraner.

Auch die römische Kirche, die Konrad Raiser so lobt, wird provinziell, sie fordert Unterwerfung unter den Papst, schließt 1725 alle aus, die nicht die gerade moderne Form einer engen Einheit der Kirche anerkennen. So entstehen die östlichen Landeskirchen, Russen, Serben, Rumänen, Griechen, die wir seit etwa neunzig Jahren "orthodoxe" Kirchen nennen. Diese anti-katholische Auffassung auch in der katholischen Kirche endet zum Glück wieder mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil 1962-1965 und hoffentlich endgültig mit dem vielzitierten aber offenbar wenig gelesenen Schreiben DOMINUS JESUS, in dem in Nr. 17 festgestellt wird, dass die moderne Lehre vom Primat nicht zum Glaubensgut gehört, und feststellt, dass die orthodoxen Kirchen wegen apostolischer Sukzession und gültiger Eucharistie echte Teilkirchen sind. In der Mitte des 19. Jahrhunderts ist keine Kirche - auch nicht die von Rom am Tiber - wirklich umfassend und in allen Aspekten ökumenisch katholisch global weltweit. Und da beginnt etwas unglaublich faszinierendes: Die Christenheit wird so ökumenisch wie sie es noch nie war.

Total global Faszinierend: Im 19. Jahrhundert lösen als erste gerade evangelische Kirchen die Katholisierungsbremse. Ein nie ausgelöschtes katholisches Bewusstsein führt 1846 zur Gründung "Evangelische Allianz" nach einer Tagung in London von 921 Christen aus verschiedenen Kirchen. "Grundlage war die Erkenntnis, dass wir durch Jesu Gebet um die Einheit seiner Jünger die uns von Gott geschenkte Einheit auch über die Konfessionen und Gruppen hinweg leben dürfen." Dabei schloss die Gründungsversammlung katholische Christen ausdrücklich aus - vielleicht ganz gut, weil wir selber damals Angst gehabt hätten, wirklich katholisch zu sein. 1846 die Gründung "Evangelische Allianz", 1867 vereinigen sich die anglikanischen Bischöfe unter dem Erzbischof von Canterbury zur Lambeth-Konferenz, 1877 der Weltbund der Reformierten. Unabhängig von politischen Spaltungen, unabhängig vom Einfluss der Staatslenker, die sich mittlerweile wieder und immer noch als als Stellvertreter Christi ansehen. Also ist auch in den christlichen Gemeinden, die nur die Gemeinde als Struktur kennen, oder noch weniger als Gemeinde nur die individuelle Rechtfertigung "ich und mein gnädiger Gott" die Ökumene nicht verschüttet. "Die Gemeinschaft aller an Christus Glaubenden und Getauften geht jeder geschichtlichen Verwirklichung und Strukturierung der communio auf lokaler Ebene voraus." Die Evangelische Allianz von 1846 war noch kein Konzil und verbot Katholiken die Mitwirkung, aber fünfundzwanzig Jahre danach gelang 1870 ein Ökumenisches Konzil in jener Allianz von Christen, die die Evangelische Allianz "Katholische Kirche" nennt. Die Definition der Unfehlbarkeit und des Jurisdiktionsprimates beim Vatikanischen Konzil 1870 war die realistische Form des Ausdrucks der Globalität in der Zerspaltenheit der Christenheit mit ihren Grabenkämpfen, die ausdrücklich als Grund für die Gründung der Evangelischen Allianz angeführt werden. Das Weiterbestehen dieses globalen Zusammenschlusses von Christen "Katholische Kirche" mit mehr als der Hälfte aller Christen über alles nationale Zerfallen der großen Reiche in Europa, Weiterbestehen über zwei Weltkriege, lässt mich das Erste Vatikanische Konzil und seine Definition des Primates der Globalisierung als ökumenisches Ereignis werten, von noch unbeachteter Geisteskraft zur Stärkung und Ermöglichung von Einheit der Menschen, der Christen. Das Ende des Kirchenstaates am 20. September 1871 beschleunigt diesen Globalisierungsschub, 1453 waren es die Osmanen, 1871 die Horden von Garibaldi. Mit den Dogmen des 1. Vatikanischen Konzils schwimmt sich die Kirche frei von Staatshörigkeit. In vielen Ländern entstehen zur gleichen Zeit aus den gleichen Gründen die Freikirchen. 1904 verhindert zum letzten Mal ein Kaiser die Einsetzung eines schon von den Kardinälen gewählten Papstes. Nach dem ersten Weltkrieg - schlimm, auch die Kriege werden kat'holisch, ökumenisch, weltweit - werden in Mitteleuropa auch viele Landeskirchen frei vom Staat.

1890 wurden 90 % der katholischen Bischöfe von Königen oder Kaisern oder Domkapiteln gewählt und ernannt, 1990 werden 90 % der katholischen Bischöfe vom Papst ernannt, also mit globalem Aspekt. Auch den Pfarrer von Johannes in Dahlenburg oder St. Nicolai in Artlenburg, St. Dionyis, Jacobi hat durch Jahrhunderte nicht ein Bischof eingesetzt, sondern die Äbtissin von Lüne oder der König von Hannover.

1920 rief der orthodoxe Ökumenische Patriarch von Konstantinopel die orthodoxen und alle Christen zu größerer Katholozität, Verantwortung für das Allgemeine. Globalisierung ist bei den orthodoxen und protestantischen Kirchen im Jahre 1948 so sehr eingelebt, dass diese Kirchen in Amsterdam den "Weltrat [Jetzt "Ökumenischer Rat der Kirchen ÖRK" in Genf] der Kirchen" gründen, aus ihrer nationalen und konfessionellen Isolierung treten und ihre globale Verantwortung für die jeweils anderen entdecken und ausüben. Und auch die Gemeinschaft, die ihre Einheit im Ökumenischen Konzil ausdrückt, macht jetzt bei dieser neuen Ökumenischen Bewegung mit, hat nicht mehr die Sorge, dass hier eine von Menschen gemachte Ökumene gegen die von Gott geschenkte Ökumene gesetzt wird, sondern nimmt das neue Geschenk Gottes dankbar an - wie Konrad Raiser es ausgedrückt hatte.

1959 kündigt Papst Johannes XXIII. ein weiteres Ökumenisches Konzil an, das zweite im Vatikan, und lädt dazu alle Christen ein. Das 2. Vatikanische Konzil 1962-1965 ist erstmalig wirklich katholisch, ökumenisch, allgemein. Zwar waren auch beim 1. Vatikanum 1870 Bischöfe vom ganzen Globus, der ganzen bewohnten Erde, griechisch Aber sie waren entweder gebürtige Europäer oder hatten doch ihre Studien in Europa absolviert, und es waren keine protestantischen und orthodoxen Christen dabei. Beim 2. Vatikanische Konzil 1962-1965 waren Bischöfe, die noch nie vorher Europa besucht hatten. Und zu den zweitausend "katholischen" Bischöfen fast zweihundert andere Christen, die zwar in den Plenarsitzungen nur den Status von Beobachtern hatten, in den entscheidenden Arbeitskreisen aber vollberechtigt mitarbeiteten. So ist heute die Christenheit ökumenisch oder katholisch oder allgemein, wie sie es noch nie war.

Ca. zwei Drittel oder drei Viertel der Christenheit gehören zu der Kommunio von Teilkirchen, die man Katholische Kirche nennt, und auch das vierte Viertel ist in großen globalen Zusammenschlüssen geeint, Lutherischer Weltbund, Weltallianz der Reformierten, Baptistische Weltallianz, Methodistischer Weltbund, und all diese wieder mit vielfältigen strukturellen und ideellen Zusammenschlüssen und Zusammenarbeit mit dem Weltrat der Kirchen in Genf und dem Weltrat der Kirchen in Rom. Papst Paul VI. hat das Wort "kirchliche Gemeinschaften" 1962 von den Orden, 1963 von den evangelischen Kirchen in der Ökumene gebraucht: beide sind nichtbischöfliche Strukturen. Die global agierenden Orden sind eine der weltweiten Vernetzungen, die Nationalkollegien in Rom mit ihren ehemaligen Studenten auf dem ganzen Globus, die Nuntiaturen, die Nationalgemeinden in der Stadt Rom, die Bischöfe weltweit als Pfarrer an den Straßenkreuzungen der Stadt Rom an den cardines als Kardinäle, die globalen Hilfswerke in den Ortskirchen wie BROT FÜR DIE WELT, Sechs Wochen ohne, Fastenopfer, Misereor, Missio. Die Johanniter mit den Maltesern, evangelisch-katholischer Einsatz. Die Bischofssynoden in Rom. 300.000 Pfarrer auf dem ganzen Globus sind nicht mehr inamovibel, unversetzbar, sondern seit fünfunddreißig Jahren, seit dem 2. Vatikanischen Konzil weltweit einzusetzen, z.B. als Fidei Donum. Der Bischof ist seit dem 2. Vatikanischen Konzil nicht mehr verheiratet mit seiner Diözese, er trägt zwar weiter den Ehering und im Osten sogar das Foto seiner Braut auf der Brust, die Panagia Enkolpion, aber er soll sich nicht nur um sein Bistum kümmern, sondern um die ganze Kirche (Christus Dominus 6), und darum auch das Bistum wechseln, wenn nötig, und sich vom Bistum scheiden lassen, wenn er 75 Jahre alt ist.

Diese großartige Ökumene der letzten hundertfünfzig Jahre der Christenheit dürfen uns nicht stolz und überheblich machen. Wir nehmen sie als Geschenk. Genau in diese hundertfünfzig Jahre fallen die beiden Mariendogmen, Maria ist unbefleckt empfangen, Maria ist in den Himmel aufgenommen als erste der Schöpfung, zwei Dogmen, Erinnerungen, dass alles Geschenk der Gnade ist wie die Menschwerdung Gottes in Maria, keinerlei Platz für Werkgerechtigkeit. Überaus wichtige Aussagen sind diese Mariendogmen von der allein seligmachenden Gnade in einer Welt, die im Höhenflug der Industrialisierung und anscheinend unbegrenzten Möglichkeiten der eigenen menschlichen Leistung alles ohne Gott zu machen in Versuchung ist. Diese Mariendogmen von der allein seligmachenden Gnade finden ihren Höhepunkt dann in der gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigung vom 31. Oktober 1999 in Augsburg, vor zwei Jahren.

Ich wurde 1976 in die ökumenische Zentrale Rom verstzt, um im Sekretariat für die Einheit der Christen zu arbeiten. Damals war gerade die erste große Phase der theologischen Dialoge beendet, es gab z.B. den Maltabericht über fünf Jahre Dialog zwischen Lutherischen Weltbund und dem ökumenischen Rat Katholische Kirche. Damals hörte ich in Rom als Reaktion auf den Dialog mit den Lutheranern: "die theologischen Unterschiede rechtfertigen eine Kirchentrennung nicht". Man war in Rom 1976 überzeugt, dass in Deutschland jetzt auf einen gemeinsamen Religionsunterricht in den Schulen hingearbeitet würde.

Dahlenburg katholische Gemeinde seit fünfzig Jahren. Von … bis …. war auch ein eigener Priester in der so umschriebenen Gemeinde. Heute nicht mehr. So ist die Gemeinde manchmal zu Ökumene gezwungen, wo sie lieber unter sich bleiben würde, Ökumene mit den katholischen Gottesdiensten in Adendorf, in Bleckede… Dafür wächst sicher die Ökumene mit den lutherischen Gemeinden vor Ort. Vor fünfzig Jahren, bevor die zweihundertfünfzig katholischen Gotteshäuser im Bistum Hildesheim gebaut wurden, haben die lutherischen Gemeinden in Niedersachsen über 1.000 Kirchen Sonntag für Sonntag für katholische Gottesdienste geöffnet. Ich bin in der lutherischen Stiftskirche St. Kosmas und Damian in Wunstorf zur Erstkommunion gegangen, bin in ihr gefirmt worden.

Wir hatten jeden Sonntag in dieser Stiftskirche katholischen Gottesdienst. Von anderen Teilen meiner aus Schlesien vertriebenen Familie weiß ich, an der Zonengrenze bei Helmstedt, dass in ihrem Dorf nur jeden 5. Sonntag im Monat hl. Messe war. Die anderen Sonntage gingen meine Verwandten in den evangelischen Gottesdienst. Manchmal schimpfte der Prediger auf die Katholiken, aber die einfachen Leute spürten es so, wie der hl. Paulus an die Korinther schreibt (1K 12,12): "wenn der Fuß sagt, ich gehöre nicht zum Leib, so gehört er doch zum Leib…" Diese Gottesdienstgemeinschaft geht heute bei vielen Gelegenheiten weiter, bei Konfirmationen, Beerdigungen, Hochzeiten, und kann sicher noch weiter ausgebaut werden in versöhnter Verschiedenheit, denke ich nach dem 31. Oktober 1999. Das gilt ökumenisch für die ganze Christenheit, auch wenn einige sich vor so viel Katholizität noch fürchten. Die Konfessionen müssen sich wie die unterschiedlichen Ordenstraditionen anerkennen und ertragen, vielleicht manchmal zähneknirschend. Die Universalität der Kirche muss sichtbar sein, aber muss nicht unbedingt in zusätzlichen strukturellen Formen Erklärungen Vereinbarungen sichtbar werden.

Der 31. Oktober, der Vortag von Allerheiligen, zur ersten Vesper hat Martin Luther seine fünfundneunzig Thesen fertiggestellt, schließt den Rosenkranzmonat. Martin Luther hat den Rosenkranz gern gebetet auf seinen weiten Visitationsreisen. Fünfzigmal wiederholen wir beim Rosenkranz den Gruß des Engels, wie ihn uns das Lukasevangelium berichtet, "du bist voll der Gnade". Fünfzigmal hämmern wir uns ein, dass all unser Tun nur reine Gnade ist, jeder von uns ist nichts als demütige Magd des Herren, "mir geschehe nach deinem Wort". Das wünsche ich der Gemeinde des hl. Michael für die nächsten fünfzig Jahre, mit dem Gebet, das ich immer spreche, wenn mein Zug anfährt oder ich im Auto losfahre:

Heiliger Raffael mit Tobia,
Heiliger Gabriel mit Maria,
Heiliger Michael mit allen himmlischen Scharen
sollen uns auf dieser Fahrt bewahren. Amen.

Dr. Klaus Wyrwoll