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Begegnung mit der Orthodoxen Kirche
von Bulgarien


Im Zusammenhang mit den Bestimmungen des Zweiten Vatikanischen Konzils wurden im Jahre 1966 die Aufgaben der Deutschen Bischofskonferenz, als einer Ortskirche innerhalb der Katholischen Weltkirche, neu geordnet.
So wurde eine Ökumenische Kommission der Deutschen Bischofskonferenz eingerichtet und darin eine Sektion "Kontakte zur Orthodoxie". Erster Leiter dieser Sektion, später "Arbeitsgemeinschaft" wurde der Bischof der Diözese Regensburg, Dr. Rudolf Graber, der durch seine Studien als Professor der Kirchengeschichte die Geschichte der Christianisierung der slawischen Völker kannte und, wie er selbst oft betonte, die Erfahrungen aus der Geschichte für die Gegenwart fruchtbar machen wollte.
Mein Diözesanbischof Dr. Rudolf Graber berief mich zum Geschäftsführer dieser Sektion innerhalb der Ökumenekommission der Deutschen Bischofskonferenz. Ich war Absolvent des Collegium Russicum in Rom und tat ein Jahr Dienst bei Joseph Kardinal Slipyj, Großerzbischof von Lvov , der 1965 von Chruschtscho nach 20 Jahren Lagerhaft entlassen und nach Rom abgeschoben worden war.
Nikolaus Wyrwoll begleitete mich in dieser Arbeit. Um sie in rechter Weise zu beginnen, begleitete ich Bischof Dr. Rudolf Graber mit einer Delegation in der Woche nach Ostern 1967 zu den Patriarchen von Konstantinopel, Athenagoras, von Sofia, Kyrill, und von Belgrad, German, zwei Jahre später auch zum Patriarchen von Rumänien, Justinian.
Seither bestehen diese Kontakte durch regelmäßige Besuche, Austausch von Osterbotschaften und zu anderen offiziellen Gelegenheiten.
Vor allem wurde ein Stipendienprogramm für orthodoxe Theologen begonnen, nämlich die Möglichkeit, dass orthodoxe Theologen, Mönche und Nonnen in Deutschland ein Nachdiplomstudium machen können. Auch einige deutsche katholische Theologen waren im Rahmen dieses Austauschprogrammes zu Spezialstudien in Athen, Thessaloniki, Belgrad und Leningrad/St. Petersburg.
Dazu kamen Ökumenische Symposien über Fragen unseres gemeinsamen Glaubens und Lebens und zu Anlässen, die eine gemeinsame Jubiläumsfeier rechtfertigten.

Lassen Sie mich über einige dieser Begegnungen berichten:

Reise einer Delegation der Deutschen Bischofskonferenz
zu den Patriarchen von Konstantinopel, Sofia und Belgrad
27.3. - 5.4.1967

Sonntag 2.4.1967
Wir kamen am Morgen mit dem Zug von Konstantinopel/Istanbul in Sofia an. Dort Empfang durch Metropolit Stephan, den Sekretär des Patriarchen.
9.30 Gottesdienst in der Alexander-Nevskij-Kathedrale. Anschließend Besichtigung der Kathedrale und Begrüßung durch die Mitglieder des Heiligen Synods und des Klerus.
11.30 Empfang beim Patriarchen Kyrill von Sofia in Gegenwart fast aller Mitglieder des Heiligen Synods. Ansprache von Bischof Dr. Rudolf Graber und Rede des Patriarchen, Austausch der Geschenke. Mittagessen als Gäste des Patriarchen zusammen mit den Mitgliedern des Hl. Synods.

Patriarch Kyrill sagte unter anderem:
"Wir kennen die katholische Theologie, erhalten die katholischen Zeitschriften und Bücher. Trotzdem bedeuten mir diese persönlichen Begegnungen sehr viel. Sie kennen sicher auch unsere theologischen Ansichten. Auch wir suchen eine letzte Formulierung. Heute sind manche Dinge unwichtig geworden, die früher von Bedeutung waren, so vor allem die Fragen der Kirchendisziplin (Bart usw.). Es geht um die unbedingt notwendigen Prinzipien. Und das sind nicht sehr viele, aber doch sehr wichtige.
Wir müssen einen Dialog führen, damit wir uns so kennen- und lieben lernen, besonders, damit wir die Liebe zu Gott damit offenbaren, zu Jesus und zu den Menschen.
Aber wir haben heute dazu noch zu wenig Möglichkeiten. Krieg und Kriegsrüstung trennen die Völker. Warum könnte man nicht eine große Organisation für den Frieden schaffen von Seiten aller christlichen Konfessionen? Das wäre die erste Vereinigung aller Christen".

Bischof Rudolf erwiderte unter anderem:
"Diese weite Reise hierher möchte auch ein Zeichen sein für die Sympathie, die wir für das bulgarische Volk empfinden. Mit der Geschichte des bulgarischen Volkes verbinden uns viele Fäden, besonders mit den Anfängen der bulgarischen Kirche durch die aus Großmähren zu Ihnen gekommenen Slawenapostel Kyrill und Method und deren Schüler. Deren Tätigkeit begründete damals das "Goldene Zeitalter" des altbulgarischen Schrifttums und des kulturellen, wie des religiösen Lebens. So wurde aus einem heidnischen Volk Bulgarien eine der Leuchten des slawischen Geisteslebens, der Volksbildung und Frömmigkeit. Die orthodoxe Kirche schuf auch die nationale Einheit des bulgarischen Volkes. Als Beschützerin des Glaubens der Väter führte sie jahrhundertelange Kämpfe, nicht nur um die kirchliche Unabhängigkeit, sondern vor allem auch um die nationale Souveränität. Diese Bestrebungen brachten endlich auch in den letzten Zeiten in dem Neuen Bulgarien die Stabilisierung der geistlichen Situation und die verdiente Wiederherstellung des bulgarischen Patriarchats.
Vor einigen Jahren habe ich anlässlich der Feier der beiden Slawenapostel Kyrill und Method mein Missfallen zum Ausdruck gebracht darüber, dass diese beiden heiligen Brüder so schändlich von unseren Vorgängern behandelt wurden. Die offizielle bulgarische Nachrichtenagentur qualifizierte diesen Schritt als bahnbrechend in unseren Beziehungen. Gebe Gott, dass auch unsere jetziges Zusammentreffen ein solcher Schritt werde in Richtung der Verwirklichung echter Brüderlichkeit und geistiger Einheit. Wir möchten nicht nebeneinander stehen, sondern in eine Richtung blickend, die Hände ineinander gelegt, unsere geistige Einheit erneuern und um die volle Einheit des Geistes und der Herzen beten, so wie der Herr es uns als unsere größte Aufgabe beim Abendmahl aufgegeben hat: "Ut omnes unum sint - Da budut vssje jedini!" Möge der Herr Eure Heiligkeit, die Hochwürdigsten Mitglieder des Heiligen Synods, die ganze bulgarische Kirche und das bulgarische Volk segnen".

In den folgenden Jahren hatte ich selbst die Möglichkeit, wenigstens einmal im Jahr zu den wichtigsten Zentren der Orthodoxie zu reisen, um die Ostergrüße der Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, des Vorsitzenden der Ökumene-Kommission und von Bischof Rudolf zu überbringen. Bei dieser Gelegenheit wurden auch andere Fragen besprochen: Teilnahme an ökumenischen Symposien und Stipendienprogramm für orthodoxen Theologen.

Auch zur Beerdigung von Patriarch Kyrill, Sofia im März 1971 wurde ich als persönlicher Beauftragter von Bischof Dr. Rudolf Graber geschickt.

Ebenso zur Feier der Gründung des ersten bulgarischen Staates vor 1300 Jahren, wozu die Bulgarische Orthodoxe Kirche die verschiedenen Vertreter der orthodoxen Kirchen, aber auch westliche Vertreter der Ökumene eingeladen hatte. Ich war persönlich eingeladen worden durch Metropolit Pankratij von Stara Zagora, dem Leiter des kirchlichen Außenamtes, als er im April 1971 einen offiziellen Besuch bei uns in Regensburg machte.

Zum Gedächtnis des 1100. Todestages des heiligen Methodius hatten wir in Regensburg eine großes Symposium (17.4. bis 24.4.1985) zusammen mit dem Lehrstuhl für Slawistik an der Universität Regensburg. Zu dem auch der kirchliche Chor Angeloglasniat eingeladen werden konnte.
Wir legten Wert darauf, dass gerade zu diesem Zeitpunkt der von uns gewünschte Chor aus Bulgarien käme und dann auch am Kongress teilnehme und dazu den musikalischen Rahmen gebe. Nach einigen (damals nicht leichten) Verhandlungen sowohl mit der bulgarischen Botschaft hier und der bulgarischen Kirche und den dahinterstehenden Behörden war es gelungen, sowohl den einzigen bulgarischen Chor zu bekommen, der altkirchliche Melodien zum Gottesdienst singt und auch selbst aus Theologen und gläubigen Menschen besteht, als auch indirekt zum Method-Symposion nach Regensburg zu bringen und anschließend nach Köln zum Jubiläum "Tausend Jahre romanische Kirchen in Köln".
Bei dieser Gelegenheit wurde an der Stelle des einstigen Herzogspalastes eine Gedächtnistafel angebracht "Zur Erinnerung an den Aufenthalt des heiligen Methodius in Regensburg. Das dankbare bulgarische Volk". Wir wissen, dass dieser "Aufenthalt" in Regensburg nicht ganz freiwillig war, und dass die Verurteilung und dreijährige Haft dieses großen Slawenapostels zu den traurigen Ereignissen der Geschichte gehört.

Auf Einladung von Patriarch Maxim und des Heiligen Synod fuhr ich nach Sofia (24. bis 28. November 1986) zu einem Internationalen Kongress. Er sollte erinnern an die vor 1100 Jahren erfolgte Ankunft der sieben Schüler des hl. Methodius in Bulgarien und an ihr Wirken dort und über die Grenzen Bulgariens hinaus.

Die schmachvolle Vertreibung und die unchristliche Behandlung der Schüler des hl. Methodius bleibt immer eine dunkle Seite in der Kirchengeschichte, so wie vorher schon die Verurteilung und Einkerkerung des hl. Methodius. Aber in vielen Verlautbarungen wird auch von westlichen Kirchenführern heutzutage dieses Unrecht bedauert und "aus der Mitte und dem Gedächtnis der Kirche" genommen, was damals an Verdächtigungen und Verleumdungen ausgestreut wurde.
Wenn wir aber tiefer schauen, dann können wir sagen, dass dieser erzwungene Neuanfang der Schüler des hl. Methodius im bulgarischen Reich ein Werkzeug der göttlichen Vorsehung war. Das großmährische Reich brach unter den Schlägen der Invasion der Ungarn zusammen. Das besondere cyrillo-methodianische Erbe konnte im westslawischen Raum nicht zur Entfaltung kommen, ja es wurde endgültig vom stärkeren politischen und kirchlichen Einfluss des lateinischen Westens überrollt und war bald ganz gelöscht, wie auf den verschiedenen Kongressen und in den Veröffentlichungen zum Leben und Wirken des hl. Methodius immer wieder dargestellt wurde. So wäre auch das Werk und das Erbe des hl. Methodius wohl früh zerstört worden, als durch die Ungarneinfälle in Pannonien und die Ausweitung der fränkischen Macht von Westen her der lateinische Einfluss endgültig festgelegt wurde. Dies wäre, so meine ich, der Fall gewesen, wenn auch das Wirken der Schüler des hl. Methodius auf Großmähren und auf Sirmium beschränkt geblieben wäre.
Aber nun konnten die Schüler des hl. Methodius ihr aus Byzanz stammendes Erbe voll verwirklichen im Reich Boris I. und Simeons des Großen (893-927), das ja nicht an den heutigen geographischen Grenzen Bulgariens endete. Der Einfluss Großbulgariens in politischer, kultureller und religiöser Hinsicht wirkte bis hinein in das heutige Rumänien, hinein in weite damals slawisch besiedelte Teile des heutigen Griechenland und hundert Jahre später in die allmählich dem Christentum sich öffnende "Kiewer Rus’".
So konnte sich das cyrillo-methodianische Erbe voll entfalten und entwickeln und sich auf die slawische Welt des Ostens ausweiten, da es durch die Schüler ins damalige Zentrum der slawischen Welt getragen wurde.
Dabei ist zu betonen, dass dieses cyrillo-methodianische Erbe nicht einfach eine Kopie oder nur eine Übersetzung der byzantinisch-griechischen theologischen, liturgischen und kulturellen Tradition ist. Der hl. Methodius hat sich bewusst aus dem damals schon beginnenden Streit zwischen Rom und Byzanz heraus gehalten und auch bei der Übersetzung der byzantinischen Gesetzessammlung (Nomokanon) jede kontrovers stehende Äußerung unterlassen bzw. keine in die Übersetzung aufgenommen.
Damit wurde die Grundlage geschaffen für eine dritte Kraft, für einen dritten Kulturkreis innerhalb des nicht mehr in zwei, sondern in drei Komponenten eingeteilten Europa (Europa tripartita et triunita: romanisch-germanisch-slawisch).
Ich erwähne nur kurz die Teilnahme am Kongress über die Zeit der osmanischen Herrschaft in Bulgarien im April 1988 und zum 250. Geburtstag des heiligen Bischofs Sophronije von Vratza im Juli 1989.

Wegen der großen Veränderungen in Osteuropa in den letzten 10 Jahren schien es uns im Ostkirchlichen Institut notwendig, regelmäßig nach Bulgarien zu fahren, um die neuen Verhältnisse besser kennenzulernen und zukünftige Programme einer zwischenkirchlichen Zusammenarbeit zu besprechen, die ja schon seit April 1967 besteht. So ist es schon Tradition geworden, dass die Prälaten Albert Rauch und Klaus Wyrwoll Ende Januar nach Serbien und Bulgarien fahren. Diese Fahrt dient der Teilnahme am Fest des heiligen Sava in Belgrad und dem Fest der "Drei Hierarchen" in Sofia. Damit sind verbunden Kontakte mit den kirchlichen Stellen und den Theologischen Fakultäten, sowie mit den dort tätigen ehemaligen Stipendiaten und Gästen des Ostkirchlichen Instituts, so auch wieder am Ende Januar dieses Jahres.
In den letzten Jahren kam noch dazu die besonders prekäre Situation in diesen beiden orthodoxen Kirchen durch den Balkankrieg, durch Inflation und Kirchenspaltung als Folgeerscheinung der "Wende".

Am 20.2.2000 war Bischof Galaktion (Tabakov) von der Diözesanversammlung von Stara Zagora zum Erstkandidaten für die seit fast 2 Jahren verwaiste Diözese (bulgarisch Metropolie) gewählt und am 27.2. von der Bischofssynode bestätigt worden.
Da er 1981/82 Stipendiat im Ostkirchlichen Institut Regensburg war und auch später häufig zu uns kam und wir mit ihm immer guten brüderlichen Kontakt hielten, hatte er ganz herzlich und dringend eingeladen, an seiner Inthronisierung teilzunehmen.
Vom 5. bis 10. 2001 Mai konnten wir anlässlich der "Bulgarischen Tage" über 40 Theologen, Mitglieder der Theologischen Fakultät Sofia als Gäste nach Regensburg einladen.
Ebenso nahmen die derzeitigen und einige ehemalige Stipendiaten aus Bulgarien unter Führung von Sr. Eminenz Metropolit Galaktion Anteil an der Osterromfahrt, die wir anlässlich des Jubiläums "35 Jahre Stipendienprogramm für orthodoxe Theologen" nach dem diesjährigen gemeinsamen Osterfest durchführten.

Zusammenfassend kann man sagen:

Wir sind dankbar, dass wir in diesen 35 Jahren so viele Kontakte und Begegnungen, Gottesdienste und Gespräche mit unserer Schwesterkirche erleben konnten und dass damit auch ein kleiner Beitrag zum Anliegen der Einheit der Christen und zur Förderung des Friedens unter den Völkern geleistet werden konnte.

Dr. Albert Rauch
Ostkirchliches Institut