OKI-Logo Augustinus und die Einheit

 

 

Vor allem ermahnen wir euch, dass ihr die Liebe habt: nicht allein untereinander, sondern auch zu denen, die draußen stehen, ob sie nun Heiden sind, die noch nicht an Christus glauben, oder, von uns geschieden, sich zwar zum Haupt bekennen, aber vom Leib getrennt sind. Wir wollen um sie trauern wie um Brüder; denn ob sie es wahrhaben wollen oder nicht, sie sind unsre Brüder. Nur dann hören sie auf, unsre Brüder zu sein, wenn sie nicht mehr »Vater unser« sagen. Von gewissen Menschen sagt der Prophet: »Zu denen, die da sagen: Ihr seid nicht unsre Brüder, sprecht: Ihr seid unsre Brüder.« Jesaja 66,5 (LXX).

Schaut euch um, von wem er das gesagt haben könnte. Etwa von den Heiden? Nein! Denn wir nennen sie nicht unsre Brüder, weder nach der Heiligen Schrift noch nach kirchlichem Sprachgebrauch. Vielleicht von den Juden, die nicht an Christus geglaubt haben?

Lest den Apostel! Wenn er, ohne etwas hinzuzufügen, »Brüder« sagt, dann meint er nur Christen: »Wie kannst du deinen Bruder richten? Und du, wie kannst du deinen Bruder verachten?.« Röm 14,10. Und ein andermal: »Ihr begeht Unrecht und Raub, und zwar an Brüdern.« 1 Kor 6,8.

Die also sagen: »Ihr seid nicht unsre Brüder«, nennen uns Heiden. Darum wollen sie uns auch wieder taufen und behaupten, wir hätten nicht, was sie geben. Darum ist ihr Irrtum folgerichtig, wenn sie leugnen, dass wir ihre Brüder sind. Aber wieso hat unser Prophet gesagt: »Sprecht: Ihr seid unsre Brüder«, wenn nicht darum, weil wir bei ihnen anerkennen, was wir nicht wiederholen dürfen. Indem sie unsre Taufe nicht anerkennen, leugnen sie, dass wir ihre Brüder sind. Indem wir ihre Taufe nicht wiederholen, sondern als unsere anerkennen, sagen wir zu ihnen: »Ihr seid unsre Brüder.«

Vielleicht werden sie sagen: »Was sucht ihr uns, wieso wollt ihr uns?« Wir wollen erwidern: Ihr seid unsre Brüder! Vielleicht sagen sie: »Geht weg von uns! Wir haben nichts mit euch zu tun!« Wir aber haben durchaus mit euch zu tun: Wir bekennen den einen Christus und müssen in einem Leib unter dem einen Haupt vereint sein.

Daher beschwören wir euch, Brüder, bei dem, der ein Herz voll Liebe hat, bei dem, durch dessen Milch wir genährt und durch dessen Brot wir gestärkt werden, bei Jesus Christus, unserem Herrn; bei seiner Güte beschwören wir euch - es ist Zeit, dass wir eine große Liebe an die verschwenden und eine überfließende Barmherzigkeit, dass wir Gott für sie bitten, er möge ihnen eines Tages einen nüchternen Geist schenken.

So sollen sie zur Besinnung kommen und sehen, dass sie nichts gegen die Wahrheit vorzubringen haben. Sie haben ja nur noch die kranke Gereiztheit und sind umso schwächer, je höher sie ihre Kraft einschätzen. Daher bitten wir euch inständig für diese Kranken, für sie, die nach irdischen Begriffen zwar weise, in Wirklichkeit aber ungeistlich und irdisch sind. Sie sind doch unsre Brüder, sie feiern dieselben Sakramente, wenn auch nicht mit uns, so doch dieselben; sie sprechen dasselbe ›Amen‹, wenn auch nicht mit uns, so doch dasselbe.

Gebt Gott für sie euer Innerstes, eure Liebe.

 

Kommentar des hl. Augustinus zu Psalm 32,29
Dr. Nikolaus Wyrwoll