OKI-Logo Interview mit Prof. Dr. Ivan Želev Dimitrov
über die Förderung von orthodoxen Studenten
in Deutschland

 

In der vergangenen Woche war der bulgarische Theologe Prof. Dr. Ivan Želev Dimitrov in Deutschland zur Eröffnung des neuen Ostkirchlichen Institutes der Katholischen Kirche Deutschlands in Paderborn. In der dortigen Feierstunde wurde auch die Arbeit des Ostkirchlichen Institutes in Regensburg offiziell abgeschlossen. Über ein halbes Jahrhundert hinweg hatte das Institut hunderten orthodoxer Kleriker und Laien, die Möglichkeit gegeben, Deutsch zu lernen und sich an Theologischen Fakultäten Deutschlands zu spezialisieren.
Polina Spirova spricht mit Prof. Dimitrov.
Polina Spirova: Prof. Želev, Sie haben an dem Ereignis in Deutschland während der vergangenen Woche teilgenommen. Zugleich zählen sie auch zu den bulgarischen Stipendiaten, die dort gelernt haben. Berichten Sie kurz Ihre Eindrücke von dieser Form des Unterrichtes.
Prof. Dimitrov: Das ist lange her, im Jahr 1984. Damals hatte der Heilige Synod der bulgarischen Orthodoxen Kirche eine Programm zu Erhöhung der Qualifikation derer, die für ihn Dienst taten, Kleriker und Laien, und schickte Leute zur Spezialisierung ins Ausland mit Stipendien der Kirchen aus den entsprechenden Ländern. Am häufigsten wurden junge Mönche in die Moskauer Geistliche Akademie geschickt, selten auch in die St. Petersburger (damals nach der Stadt als "Leningrader" bezeichnet) Akademie, danach aber wurden sie Bischöfe und Metropoliten. Mönche, Priester und Laien wurden nach Griechenland, Deutschland, die Schweiz, Frankreich, England, Irland und anderswo geschickt. Ich hatte Deutschunterricht erhalten und arbeitete mit dieser Sprache, doch musste ich unbedingt mein Sprechen üben und so schickte mich der Heilige Synod auf einen zweimonatigen Sommerkurs im Jahr 1984. Dort empfing mich der Direktor des Ostkirchlichen Institutes Dr. Albert Rauch, der in den Jahren zuvor auch andere Bulgaren am Institut angenommen hatte (Prof. Hubančev, Archimandrit Ignatij, jetzt Metropolit von Pleven, Archimandrit Galaktion, jetzt Metropolit von Stara Zagora) und der Bulgarien bereits im Jahr 1967 besucht hatte und unsere Kirche gut kannte. Ich war im Sommersprachkurs mit ungefähr zwanzig Orthodoxen Mönchen und Laientheologen. Einer von ihnen ist jetzt Erzbischof im Jerusalmer Patriarchat, ein anderer ist Professor im München, ein dritter ist Bischof in Äthiopien u.s.w.
Polina Spirova: Es wurde mitgeteilt, dass während dieser fünfzig Jahre seit der Gründung ungefähr siebenhundert Stipendiaten Regensburg durchlaufen haben. Das ist wirklich eine hohe Zahl. Zugleich wird mitgeteilt, dass die Bulgaren vierundachtzig Personen von diesen siebenhundert gewesen sind, das sind zwölf Prozent aller Stipendiaten!
Prof. Dimitrov: So ist es. Doch haben nicht alle Bulgaren einen Sprachkurs oder eine wissenschaftliche Spezialisierung gemacht. Vor allem während der letzten Jahre wurden im Sommer in Regensburg ungefähr ein zehntel bulgarische Theologen "ausgeschüttet", von denen einige die Sprache überhaupt nicht sprechen und sie auch nicht lernten, und noch weniger Theologische Literatur studierten, sondern das Stipendium einfach nutzten, um Freizeit zu verbringen. Dennoch werden sie unter die Stipendiaten gezählt. Doch noch wichtiger ist, dass eine Reihe bulgarischer akademischer Theologen eben dank ihrer Spezialisierung in Deutschland schöne Erfolge in der Wissenschaft erzielten. Ein Zehntel der Seminarlehrer bildeten sich ebenfalls dank ihrer Ausbildung in Regensburg weiter.
Polina Spirova: Jetzt wird die Tätigkeit an einem neue Ort fortgesetzt, warum wurde diese Änderung vorgenommen?
Prof. Dimitrov: Das Gebäude, in dem sich das Institut in Regensburg befand, war Teil eines altern Klosters, das zur Zeit der Säkularisierung bei der Besetzung durch Napoleon den Mönchen weggenommen wurde und zweihundert Jahre lang Eigentum der Stadt war. Jetzt wollte die Stadt das ganze Kloster einem privaten Investor verkaufen und das Institut ausgelagert werden. Zugleich erreichten der Direktor des Institutes, Dr. Albert Rauch, wie auch sein Kollege und Co-Direktor, Dr. Wyrwoll bereits das Alter von 80 bzw. 75 Jahren und es ist Zeit, dass sie sich von ihrem Dienst erholen. Deshalb hat die katholische Kirche in Deutschland entschieden, diese Arbeit nach Paderborn ins Landesinnere zu verlegen, wo es ein ähnliche Institut für die Beziehungen zu den östlichen Kirchen gibt, obgleich sich dieses Institu bislang nicht mit Stipendiaten beschäftigt hat. Dort gibt es einen vergleichsweise jungen Geschäftsführer, Dr. Johannes Oeldemann, dem die Arbeit mit den ausländischen Stipendiaten anvertraut ist. Er selbst hat sich in Russland spezialisiert und spricht Russisch, kennt die Orthodoxen Kirchen und kann die Beziehungen zu ihnen weiter entwickeln.
Polina Spirova: Das hört sich danach an, dass dort ernsthafte Arbeit verrichtet wird. Aber, ist es leicht, eine Spezialisierung zu machen?
Prof. Dimitrov: Ja und nein. Das Stipendienprogramm ist auf Personen ausgerichtet, die sich im Bereich der Theologie spezialisieren wollen (Kleriker und Laien, Mönche und Nonnen), die von ihren Bischöfen entsandt werden, um sich in Deutschland ausbilden zu lassen. Doch hat der Heilige Synod in den vergangenen Jahren niemanden zu einer Ausbildung in Lehreinrichtungen der nicht-orthodoxen Kirchen entsandt. Eine Ausnahme sind der Metropolit von Stara Zagora und einige Bischöfe, doch für die aufnehmende Seite ist eine Empfehlung von einem Bischof oder Metropoliten ausreichend. Erfoderlich zur Ausbildung in Paderborn ist jetzt, dass die Bewerber wenigstens eine Stufe der theologischen Ausbildung abgeschlossen haben (auf dem Niveau Seminar oder Bakkalaureat) und dass sie sich wirklich wissenschaftlich fortbilden wollen und sich nichts als Gastarbeiter in Deutschland zur Verfügung stellen. Die Stipendien werden dem zielgerichtet vergeben: Für das Erlernen der Sprache, für das Studium theologischer Literatur, und für den Erwerb einer höheren Ausbildungsstufe (Magister bzw. Doktor)
Polina Spirova: Kann man mit einem solchen Stipendium nur an der Paderborner Universität studieren?
Prof. Dimitrov: Die Sprachkurse für die orthodoxen Stipendiaten werden in Paderborn durchgeführt. Die Stipendiaten schreiben sich an der Universität ein und erwerben einen Status, der ihnen bestimmte Vorteile gewährt (Krankenversicherung, Ermäßigung im öffentlichen Nahverkehr u.a.). Für die theologische Ausbildung oder für den Erwerb eines höheren theologischen akademischen Grades können die Kandidaten beantragen, an eine theologische Fakultät in Deutschland nach ihrer Wahl zu gehen, aber nur an eine katholische.
Polina Spirova: Aber in Deutschland existiert neben der katholischen Kirche, doch auch die große Evangelische Kirche, die ebenfalls 25-30 Fakultäten besitzt. Geben sie auch Stipendien an Ausländer, insbesondere an Orthodoxe?
Prof. Dimitrov: Ja, die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) steht in dieser Hinsicht mit der Katholischen Kirche im Wettbewerb. Auch sie vergibt viele Stipendien an orthodoxe Studenten und Personen, die sich spezialisieren. Doch nachdem eine Reihe von Stipendiaten verweigerten, in ihr Heimatland zurückzukehren, eröffnete die EKD eine andere Möglichkeit. An der deutschsprachigen evangelischen Fakultät der Universität in Sibiu, Zentralrumänien, werden seit zwanzig Jahren Sprachkurse für junge Leute aus Osteuropa durchgeführt. Diese Kurse werden von der Evangelischen Kirche in Deutschland unterstützt. Personen, die deutsche Sprachprüfung auf dem entsprechenden Niveau bestehen und ihre theologische Ausbildung fortsetzen wollen, wird die Möglichkeit gegeben, mit einem Stipendium der EKD nach Deutschland zu gehen.
Polina Spirova: Das sind wunderbare Möglichkeiten, wenn sich jemand wissenschaftlich betätigen und entwickeln möchte.
Prof. Dimitrov: So ist es. Man darf aber nicht vergessen, dass diese Programme darauf ausgerichtet sind, das wissenschaftliche Wachstum des Personals der Orthodoxen Kirche zu unterstützen. Und es ist immer wichtig, dass die entsendende Seite, (gewöhnlich eine Kirche, eine Eparchie oder eine orthodoxe Ausbildungseinrichtung) die Verantwortung für die Personen übernimmt, die entsandt wurde, um sich zu spezialisieren. Denn jeder Mensch ist wertvoll und wir dürfen sie nicht vergeuden. Lasst uns ihnen die Möglichkeit geben, sich weiter zu entwickeln, aber lasst sie uns danach auch für die kirchliche Arbeit verwenden, sonst verschwenden wir tatsächlich menschliche Ressourcen. Eine unserer Theologinnen hat ihr Doktorat mit Auszeichnung in der Schweiz verteidigt, beherrscht fünf Sprachen und beschäftigt sich jetzt mit einer Arbeit, die für eine Doktorin der Theologie und für ihre Qualifikation nicht adäquat ist, weil die Frau von etwas leben muss. Dass solche Fälle vor Augen stehen, ist ein Indikator für unser Verhältnis zu den menschlichen Ressourcen der Kirche.

Quelle: http://dveri.bg/xrwxh
und http://dveri.bg/xrwkd
Übersetzung: Martin Illert