OKI-Logo Predigt am kleinen Blutfeiertag
Walldürn, 21. Juni 2007

 

Nicht weit von uns im Westen in der Kaiserstadt Trier sind die großen Ausstellungen zum Kaiser Konstantin - da gibt es auch ein Elfenbeinrelief hier aus Walldürn, von hier ausgeliehen, es zeigt den Kaiser als siegreichen Feldherrn. Im Jahre 306 wurde Konstantin Kaiser. Unter Kaiser Konstantins Vorgängern war das Römische Reich zerfallen, militärisch, wirtschaftlich und geistlich zerfallen. Der aufstrebende Machthaber Konstantin ließ das Reich wieder auferstehen: mit dem Christentum. Konstantin war ein raffinierter Politiker. Die Christen, so hatte Konstantin erkannt, waren stabil und garantierten Stabilität. Sie hatten sich auch unter schärfsten Verfolgungen nicht den gottgleichen Cäsaren gebeugt. Sie waren in Krankheit und Leiden geduldig und fröhlich. Die Christen genossen hohes Ansehen wegen ihrer sozialen Kompetenz. Der Gott der Liebe und Barmherzigkeit, den die Christen verehrten, duldete keine anderen Götter neben sich. Mit den Christen war ein starker Staat zu machen!! Im Jahre 312 erklärte Konstantin das Ende der Christenverfolgungen, zwanzig Jahre später verlegte er die Hauptstadt des Römischen Reiches aus dem heidnischen Rom am Tiber in das christliche neue Rom Konstantinopel am Bosporus.

Wieso konnte Kaiser Konstantin zwischen all den lebendigen Religionen ausgerechnet auf die Christen bauen? Der hl. Paulus gibt die Antwort, eine höchst politische Antwort, wir haben sie eben in der Lesung gehört in dem Brief des hl. Paulus an die Gemeinde von Kolossä - an die Gemeinde von Walldürn: weil Gott alles im Himmel und auf Erden zu Christus führt, der Frieden gestiftet hat am Kreuz durch sein Blut... (Kol 1,20).

Durch sein Blut hat Christus alles im Himmel und auf Erden erlöst. Mit seinem Blut hat er Menschen für Gott erworben aus allen Stämmen und Sprachen, aus allen Nationen und Völkern, und hat sie zu Königen und Priestern gemacht (Offb 5,9). Das ist die erste und wichtigste Globalisierung der Weltgeschichte, und ein G8-Gipfel wie der von Heiligendamm wird gute Früchte hervorbringen, wenn wir uns immer mehr dieser globalen, dieser kosmischen Wirkung des Blutes Christi bewusst werden. Nehmen wir den Satz, den wir in jeder Kreuzweg-Andacht viele Male beten, in der Form des hl. Paulus: wir beten dich an, Herr Jesus Christus, und lobpreisen dich, denn durch dein heiliges Blut hast du die ganze Welt erlöst. die ganze Welt - lateinisch "global" - griechisch "Kosmos" oder "katholiké" allgemein, allumfassend - den ganzen Erdkreis, aber auch jede Situation unseres Lebens in Gesundheit und Krankheit.

Der große ostkirchliche Hymnendichter Andreas von Kreta (†740) sieht diese globale kosmische Bedeutung des Blutes Christi schon vor 1300 Jahren: wäre das Leben nicht ans Kreuz geheftet worden, dann hätten die Quellen der Unsterblichkeit nicht aus der Seite des Gekreuzigten Blut und Wasser fließen lassen. wir beten dich an, Herr Jesus Christus, und lobpreisen dich, denn durch dein heiliges Blut hast du die ganze Welt erlöst.

Das Blut ist der Lebenssaft für den Körper der Menschen und Tiere, der Saft in den Bäumen und Pflanzen. Die offiziellen alten und immer wieder neuen Stundengebete der Kirche preisen das Kreuz als Siegeszeichen, gebrauchen das Wort "Lebensbaum" für das Kreuz und besingen das Blut, den Lebenssaft, der den Baum durchdringt, der uns durchdringt, der alle durchdringt, die ihr Kreuz auf sich nehmen, sie bleiben noch im Alter voll Saft und Frische (Ps 92,15 vorhin gesungen) und gestalten ihr Leben in der Kraft des Blutes.

Noch ein Gedicht, in dem der Herr bei uns bleibt: Der Bischof und Dichter Venantius Fortunatus (†610) singt noch etwas früher als der Andreas von Kreta vor 1400 Jahren: Erde, Meere, Gestirn, das Weltall werden rein im Strom des Blutes - des Blutes des am Kreuz geopferten Lammes. Die ganze Welt, der ganze Kosmos ist reingewaschen und wird immer wieder rein. So singen wir diesen Kreuzeshymnus des Bischofs Fortunatus im Tagzeitengebet der Passionswoche, Das Blut Christi ist ein herrliches Zeichen der Erlösung der ganzen Welt. Darum haben unsere Mütter und Väter im Glauben in den ersten Jahrhunderten das Kreuz Christi immer so dargestellt, dass es die Herrlichkeit des Sieges zeigt. Unsere christlichen Schwestern und Brüder im Osten stellen das Kreuz heute noch als Zeichen des Sieges dar, die Überwindung des Todes für die ganze Welt im vertrauensvollen Hinübergang Christi zum Vater (Joh 13,1).

Durch diesen Hinübergang, durch das Blut als Lebenswasser aus der Seite Christi ist auch uns der Weg ins neue Leben, ins neue Paradies eröffnet. Wir sind im dritten Lesejahr der Sonntagslesungen, wir lesen das Evangelium nach dem hl. Lukas, Lukas hat nicht wie Markus und Matthäus als letzte Worte Jesu "mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen," sondern das große Wort an den Verbrecher, der neben Jesus am Kreuz hängt und bittet "Gedenke meiner, wenn du in dein Reich kommst", und Jesus antwortet ihm und uns allen und der ganzen Welt heute noch wirst du mit mir im Paradies sein. Herr, bleibe bei uns - lass uns bei Dir bleiben!

In den alten Kirchen der Ewigen Stadt Rom finden wir die Darstellung des Kreuzes mit dem strahlenden Sieger Christus am Kreuz. Wir finden auch die Darstellung des Kreuzes als Lebensbaum, als frischen grünen Baum, meist wie eine Palme dargestellt. Wir singen im Hochgebet vom Baum des Paradieses kam der Tod, vom Baum des Kreuzes erstand das Leben. Der Baum bleibt frisch und grün, wenn der Lebenssaft ihn durchpulst, das Blut Christi ist der Lebenssaft für die ganze Welt. Wir bleiben voll Saft und Frische bis ins hohe Alter, weil das Blut Christi uns durchpulst, wir sind ja Glieder an einem Leib, an seinem Leib. ER lässt uns vollblütig sein - wären wir doch manchmal auch heißblütig im Künden des Glaubens durch das Zeugnis unseres Lebens!

In der Bischofskirche des Papstes in Rom Sankt Johannes im Lateran ist ein riesiges Mosaik in der Apsis. Auf diesem Mosaik strömt der Lebenssaft gewaltig aus dem Kreuz, wird zu den vier Paradiesesflüssen, bewässert den Fluss und die Wiese und die Bäume und gibt der Vielzahl der Tiere das Wasser des Lebens.

- Alles im Himmel und auf Erden wollte Gott zu Christus führen durch sein Blut… (Kol 1,20).

Die Kirche, die gläubige Gemeinde ist der Leib Christi, der dadurch aufgebaut wird, dass Menschen Anteil erhalten an diesem Leib, indem sie im eucharistischen Brot den für uns dahingegebenen Leib Christi empfangen (den lebendigen Leib, in dem das Blut zirkuliert!) und indem sie im eucharistischen Kelch das Blut Christi trinken, das er zum Heil der Welt am Kreuz vergossen hat, Blut und Wasser kamen aus seiner Seite, und "wer an mich glaubt", sagt Christus, "aus dessen Innerem werden Ströme lebendigen Wassers fließen" (Joh 7,38).

Christus ist in das Innere der Erde (Mt 12,40) hinabgestiegen, hat den Schoß der Erde mit seinem Blut erfüllt, darum entsteht neues Leben aus dem Schoß der Mutter, darum fließen aus jedem von uns Ströme lebendigen Wassers durch unser Tun in Wort und Wahrheit - darum sind wir auch in Krankheit stark.

Sie alle haben gut gehört, dass der Diakon die Lesung des Evangeliums begonnen hat mit drei wichtigen Worten - wie immer, die uns zeigen, wann das geschieht, was da vorgelesen wird: in jener Zeit. In jener besonderen Zeit, die die Zeit Gottes ist, nicht mehr Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft, sondern hier und jetzt, weil Gott allgegenwärtig ist und alles, was er tut, heute geschieht, im kairos, in der rechten Zeit. Dass die Jünger den Herrn am Brechen des Brotes erkannten, das ist jetzt hier in Walldürn, das geschieht in uns, jetzt vergießt er sein Blut, jetzt strömt der Lebensaft neu in unsere Adern, jetzt sagt er zu jedem, der ihn bittet, heute wirst du mit mir im Paradiese sein.

Heute gilt, was Kaiser Konstantin erkannte, dass der katholische Glaube die Welt retten wird. Die kosmische weltweite allumfassende katholische Bedeutung des Blutes Christi meinen wir, wenn wir im Glaubensbekenntnis sprechen "ich glaube an die eine heilige katholische und apostolische", das Wort "katholisch" im Glaubensbekenntnis ist keine Konfessionsbezeichnung wie evangelisch-lutherisch oder reformiert oder baptistisch, sondern bezieht sich auf den Glauben, eben auf die ganze Welt, auf den ganzen Erdball und auf unsere ganze kleine Welt der täglichen und nächtlichen Beschäftigungen. In jener Zeit, also Heute bekommen die Beschlüsse der G8 von Heiligendamm Lebenskraft, wenn wir sie hineinnehmen durch unser Gebet und durch unser Engagement in das Blut Christi, wir beten dich an Herr Jesus Christus und preisen dich, denn durch dein heiliges Kreuz hast du die ganze Welt erlöst.

Darum ist uns der Sieg gewiss, trotz allen gegenseitigen Augenscheins, in dem Kampf des täglichen Lebens. Diesen Kampf führen wir nicht "gegen Fleisch und Blut" (Eph 6,12), sondern wir siegen, wenn wir durch unser Tun die Ströme lebendigen Wassers aus uns herauslassen.

Wie z.B. die Lehrerin Frau Dr. Berta Vorbach oder die Missionarinnen vom hl. Blut. Mit zwei Beispielen möchte ich am Ende dieser Predigt zeigen, wie das heute geht. 1. Beispiel: Frau Dr. Berta Vorbach wurde von den Nationalsozialisten aus dem Schuldienst entfernt und Karmelitin. 1961 gründete sie den Karmel im Konzentrationslager Dachau und schrieb an den Kardinal von München: "wir nennen den Karmel natürlich Karmel vom kostbaren Blut, denn wie das kostbare Blut Christi die ganze Welt erlöst hat, wollen wir an dieser Stätte des Grauens Dachau für alle beten, die erlöst werden müssen aus ihren Nöten, aus dem vielfältigen Tod." Das ist ein Beispiel, wie wir durch unser Gebet das kostbare Blut verehren.

2. Beispiel: Die Missionarinnen vom Kostbaren Blut, vor zwanzig Jahren gegründet, sind ein Beispiel für die Verehrung des kostbaren Blutes durch mutiges Handeln, sie setzen sich ein im Dienst an den Kindern, an den Familien, an den Drogenkranken.

Wir beten dich an Herr Jesus Christus und preisen dich, denn durch dein heiliges Kreuz hast du die ganze Welt erlöst.

Dr. Nikolaus Wyrwoll
Ostkirchliches Institut
Regensburg