OKI-Logo Nikolaus Wyrwoll
zu "Istanbuls religiöses Gesicht"
in Christ in der Gegenwart 2012 Nr. 44

 

 

Lieber Klaus Stock,

Du sendest mir den Artikel von Bodo Bost über Istanbuls Religiöses Gesicht mit der Aufforderung, ihn mit meinen Erfahrungen zu vergleichen. Ich bin doch erschrocken, wie Bost in Frau Merkels Istanbul-Karikatur einstimmt. Da kann ich "Nostra aetate" nicht entdecken und auch nicht meine Erlebnisse mit den lutherischen und katholischen Pilgergruppen nach Istanbul und deren Gesprächen mit den verschiedenen christlichen Gruppen vor Ort.

Die Fakten und Zahlen in dem Artikel stimmen einigermaßen, ich sage unten einen Satz dazu. Aber die bösartige Interpretation. Schon am Anfang hätte ein Satz der Wahrheit entsprochen, dass Erdoğan wieder zur offenen religiösen und politischen Situation des Osmanischen Reiche zurück will und das ganz geschickt anfängt mit dem Beginn Istanbuls als Hauptstadt eben im Jahr 1453. Das große Museum der kriegerischen Eroberung verhinderte eine größere Gegenreaktion der Militärs, die ja eher für Atatürks Nationalismus stehen.

Die neuen "überdimensionalen" (wie Sankt Peter?) Moscheen sollen das Stadtbild wieder von Gotteshäusern geprägt sein lassen, nachdem die riesigen Hochhäuser die Moscheen und Kirchen nach unten gedrückt haben. Nur der zentrale Taxim-Platz wird noch von der griechisch-orthodoxen Dreifaltigkeitskirche geprägt und der Blick vom Galataturm von der katholischen St. Antonius-Kirche.

Die neuen Viertel brauchen dringend eine solche religiöse Mahnstelle, zumal eine Moschee ja nicht nur ein Gebetshaus ist, sondern ein Hinweis, dass das Zusammenleben der Menschen nur im Glauben an den barmherzigen Gott gelingen kann.

Die wenigen Christen können da keine großen Bauten beitragen, obwohl die Armenier und auch die Syrer unter Erdoğan wieder bauen konnten, und von den neoprotestantischen Gemeinschaften fast dreihundert Gebetsräume im Land eingerichtet wurden, von unserem Hildesheimer Pfarrer Rainer Korten eine einzige Kirche in Antalya, denn die hunderttausende westlichen Touristen fragen nicht nach Kirche und Gottesdienst. Als der Tourismus-Minister vor einigen Jahren die Kirchen einlud zu einer Tagung, auf dem sie ihm Anregungen geben sollten, was er für den religiösen Tourismus tun könne, blieben die Vertreter der westlichen Kirchen in der Türkei weg, die orthodoxen Vertreter waren dabei, die Russen haben in Antalya eine alte byzantinische Kirche restauriert und übernommen, die Griechen zwei alte byzantinische Kirchen in Bursa. Mit den Pastorenkonventen von Stade und Buxtehude will Metropolit Elpidoforos 2013 nach Bursa fahren. Der Pastorenkonvent Rinteln war beeindruckt, dass die Kirche des Konzils von 785 in Iznik - Nizaea jetzt Moschee ist, nicht mehr verstaubtes Museum. Wir kamen gerade zum Mittagsgebet, der Imam begrüßte uns, nachher fanden wir, dass wir uns in der betenden Gemeinde viel besser das Gebet und Wirken der Konzilsväter vorstellen konnten als in den vergangenen Jahren im Museum.

"Grund für die auffällige religiöse Gigantomanie …: ist allerdings weniger eine verbesserte religiöse Betreuung" behauptet Bost, sagt aber doch dann selbst ausführlich, wie intensiv die islamische Neu-Evangelisierung betrieben wird, mit Worten, die ich heute von Papst Benedikt und der gerade beendeten Synode über die Notwendigkeit religiöser Erneuerung höre, auch in der Familienpolitik z.B. Die Gesprächspartner haben das vielfach gewürdigt, auch Bischof Pelatre, der richtig zitiert wird, aber doch verkürzt, er ist sehr zufrieden mit den vielen neuen Freiheiten für die Christen, eben weil Religion vom Staat nicht mehr nur verwaltet wird, sondern gefördert. Der Ökumenische Patriarch musste sich Sorgen um seine Nachfolge machen: nur ein türkischer Staatsbürger kann Patriarch werden. Erdoğan hat den griechischen Metropoliten weltweit angeboten, auch die türkische Staatsangehörigkeit neben ihrer bisherigen anzunehmen. Fünfzehn Metropoliten haben das akzeptiert, die Nachfolge ist gesichert.

Noch zu den Zahlen. Uns wurde von 5.000 Moscheen für die 20 Millionen Einwohner gesprochen. Vielleicht nennt Bost nur die Zahl der staatlichen Moscheen. Und bringt dann das Verhältnis mit einem "nur" durcheinander, selbst mit 40 Kirchen wäre die Zahl der Kirchen pro Christ vielfach größer als die Zahl der Moscheen pro Muslim, Bosts Zahl bezieht sich vielleicht auf die 40 armenischen Kirchen, dazu kommen die 60 griechischen Kirchen und die 30 "lateinischen" Kirchen (die lutherischen mitgerechnet). Und nicht die gerechnet die neoprotestantischen Gebetsräume.

Also was bezweckt CiG mit so einem Artikel?
Frohen Gruß
Klaus

 

Dr. Nikolaus Wyrwoll
Ostkirchliches Institut
Regensburg